Rz. 106
Auch die Zugewinnausgleichsforderung des überlebenden Ehegatten schmälert den Nachlass. Wählt der überlebende Ehegatte die güterrechtliche Lösung, die zu einer Zugewinnausgleichsforderung führt, so ist diese eine Nachlassverbindlichkeit (§ 1371 Abs. 2 und 3 BGB). Sie hat insbesondere Vorrang vor Vermächtnissen und Pflichtteilsansprüchen.
Dazu der BGH in BGHZ 37, 58, 64:
Zitat
"Wenn im Gesetz für den Fall der Auflösung der Zugewinngemeinschaft durch den Tod eines Ehegatten nicht die erbrechtliche Lösung vorgesehen wäre, müßten die an dem Nachlaß des erstversterbenden Ehegatten als Erben oder Pflichtteilsberechtigte beteiligten Personen es hinnehmen, daß der überlebende Ehegatte gegebenenfalls zunächst den Ausgleich des Zugewinns beansprucht, wie das auch in dem Regierungsentwurf zum Gleichberechtigungsgesetz vorgesehen war (BT-Drucks 2. Wahlperiode Nr. 224 § 1378 S. 6, 42), und wie es in den Fällen des § 1371 Abs. 2, 3 BGB zutrifft. Diese Ausgleichsforderung wäre eine Nachlaßverbindlichkeit. Infolgedessen wäre der Nachlaß mit ihr belastet, und zwar auch, wenn der überlebende Ehegatte Alleinerbe wäre, da für die Berechnung der Pflichtteile der anderen Berechtigten die Ausgleichsforderung nicht als erloschen gelten könnte (RGRK-BGB 11. Aufl. § 2311 Anm. 3)."
Teilweise wird die Zugewinnausgleichsforderung als Erbfallschuld definiert. Für die Beratung ist insbesondere zu klären, ob durch die Geltendmachung der Zugewinnausgleichsforderung eine Überschuldung des Nachlasses herbeigeführt wird oder diese möglicherweise schon vorher bestanden hat. Dabei ist darauf zu achten, dass Nachlass einerseits und Endvermögen andererseits nach § 1375 Abs. 2 BGB grundsätzlich unterschiedliche Größen sind.
Der BFH behandelt die Zugewinnausgleichsforderung erbschaftsteuerrechtlich als Erblasserschuld.
Dasselbe gilt auch bei eingetragenen Lebenspartnern nach § 6 LPartG (seit 1.2.2005 auch "Zugewinngemeinschaft").
Rz. 107
Erweiterter Gerichtsstand der Erbschaft: Macht der überlebende Ehegatte vom Wahlrecht des § 1371 Abs. 3 BGB Gebrauch und schlägt er die Erbschaft aus, um den schuldrechtlichen Zugewinnausgleich und den Pflichtteil geltend zu machen, so besteht für die gegenüber den gesamtschuldnerisch haftenden Miterben geltend zu machende Zugewinnausgleichsforderung der erweiterte Gerichtsstand der Erbschaft, und zwar auch für den Stufenantrag.
Rz. 108
Große Rechtsunsicherheit ist in Bezug auf die Frage, ob Zugewinngemeinschaft oder Gütertrennung besteht, seit der Rechtsprechung des BVerfG zur Inhaltskontrolle von Eheverträgen vom 29.3.2001 eingetreten. Und damit wird auch die Rechtsunsicherheit ins Erbrecht getragen, weil zum einen nicht klar ist, wie in den entsprechenden Erbfällen sich die Erbfolge darstellt – denn bei der Zugewinngemeinschaft ist der Ehegattenerbteil in vielen Fällen höher als bei der Gütertrennung –, und zum anderen ist mit der Wahlmöglichkeit des überlebenden Ehegatten für die güterrechtliche Lösung in der Zugewinngemeinschaft bei unwirksam vereinbarter Gütertrennung das Bestehen einer Zugewinnausgleichsforderung ungeklärt. Spätestens seit dem Beschluss des BVerfG vom 29.3.2001 unterliegen auch notariell beurkundete Eheverträge der inhaltlichen Kontrolle durch die Gerichte.
Rz. 109
Das BVerfG, das bereits in seinem Beschl. v. 6.2.2001 einen Unterhaltsverzicht einer vor der Ehe Schwangeren als sittenwidrig angesehen hatte, führt im Beschl. v. 29.3.2001 aus:
Zitat
"Eheverträgen sind dort Grenzen zu setzen, wo jene nicht Ausdruck und Ergebnis gleichberechtigter Lebenspartnerschaft sind, sondern eine auf ungleichen Verhandlungspositionen basierende einseitige Dominanz eines Ehepartners widerspiegeln. Die Eheschließungsfreiheit rechtfertigt keine einseitige ehevertragliche Lastenverteilung."