Rz. 478
Wurde ein Miterbe als Gesamtschuldner in Anspruch genommen, so hat er einen Anspruch gegen die übrigen Miterben auf Ausgleich gem. § 426 BGB, sofern die Verbindlichkeit nicht noch bei der Erbauseinandersetzung gem. § 2046 BGB berücksichtigt werden kann. Der Ausgleich erfolgt im Verhältnis der Erbteile der Miterben. Bei bestehender Ausgleichungspflicht wegen lebzeitiger Vorempfänge von Seiten des Erblassers richtet sich auch der Gesamtschuldnerausgleich nach dem, was jeder Miterbe erhält.
Rz. 479
Beispiel
Der Erblasser stand bis kurz vor seinem Tod in ärztlicher Behandlung; er war Privatpatient. Beerbt wird er von seinen drei Kindern, der Tochter T, dem Sohn S1 und dem Sohn S2, zu je einem Drittel. Die Tochter T wohnte beim Erblasser im selben Haus, beide Söhne wohnen im Ausland. Der Arzt des Erblassers schickte seine Honorarrechnung nach dem Erbfall an die Tochter T, weil er sie kannte. Da ein Erbschein noch nicht erteilt ist, kommt T an Bankguthaben des Erblassers nicht heran, deshalb zahlt sie die Arztrechnung aus der Privattasche. Von ihren Brüdern S1 und S2 verlangt sie je ein Drittel des verauslagten Betrages.
Rz. 480
Da es sich um eine Nachlassverbindlichkeit in der Form der Erblasserschuld handelte, haften nach § 2058 BGB alle drei Miterben im Außenverhältnis gesamtschuldnerisch. Tochter T, die die gesamte Forderung erfüllt hat, hat nach § 426 Abs. 1 und 2 BGB gegen S1 und S2 einen Anspruch auf insgesamt ⅔ der von ihr bezahlten Forderung. Insoweit hat eine cessio legis stattgefunden. Weil es sich um eine Nachlassverbindlichkeit handelt, haften S1 und S2 vorläufig unbeschränkt, aber auf den Nachlass beschränkbar. Die Haftungsbeschränkung wird durch das Ergreifen einer Haftungsbeschränkungsmaßnahme, bspw. Anordnung des Nachlassinsolvenzverfahrens, der Nachlassverwaltung bzw. Erhebung der Dürftigkeitseinrede, herbeigeführt.
Rz. 481
Beispiel (Variante)
Die Tochter T ist der Meinung, der Arzt habe einen Kunstfehler begangen und den frühen Tod des Erblassers zu verantworten. Deshalb bezahlt sie die an sie gerichtete Honorarrechnung nicht. Sie informiert ihre Brüder von der Angelegenheit; diese empfehlen ihr, es auf einen Rechtsstreit ankommen zu lassen. Der Arzt verklagt T als Gesamtschuldnerin. T bittet ihre beiden Brüder, ihr in diesem Prozess "beizustehen". S1 und S2 lehnen dies jedoch ab. T dringt im Prozess mit ihren Einwendungen nicht durch; sie wird vorbehaltlos zur Zahlung der Honorarrechnung verurteilt.
Das Urteil wird rechtskräftig. Sie schuldet Hauptsumme, Verzugszinsen und sämtliche Kosten des Rechtsstreits. Sie bezahlt alles restlos aus ihrem Privatvermögen. Als sie sich an S1 und S2 wegen der Erstattung von ⅔ des aufgewandten Betrages wendet, erklären diese, sie lehnten eine Erstattung ab, weil T den Prozess nicht ordnungsgemäß geführt und keine Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil eingelegt habe.
Förmlich hat T ihren beiden Brüdern den Streit nicht verkündet, so dass die beiden Brüder keine Nebeninterventionswirkungen des Urteils treffen. Auch die Rechtskraft des Urteils erstreckt sich nicht auf die beiden gesamtschuldnerisch haftenden Brüder, weil § 425 BGB eine solche Rechtskrafterstreckung des gegen einen der Gesamtschuldner ergangenen Urteils auf die anderen Gesamtschuldner nicht vorsieht. Weigern sich S1 und S2, ⅔ der Urteilssumme an T zu zahlen, so muss T gegen sie einen Rechtsstreit führen.
Die Miterben S1 und S2 haften gesamtschuldnerisch nach § 2058 BGB. Der Gesamtschuldnerausgleich bezüglich der Hauptforderung folgt aus § 426 BGB; bezüglich Zinsen und Kosten trifft sie eine Schadensersatzpflicht aus § 280 BGB wegen Verletzung ihrer Pflichten aus dem Gesamtschuldner-Innenverhältnis. Sie wären im Hinblick auf Nebenpflichten aus dem gesamtschuldnerischen Innenverhältnis verpflichtet gewesen, die Miterbin T zu dem die beiden Brüder treffenden Anteil an der Schuld freizustellen.
Rz. 482
BGH in BGHZ 23, 361, 363:
Zitat
"Zwar kann bei einem Gesamtschuldverhältnis der vom Gläubiger in Anspruch genommene Gesamtschuldner schon vor der eigenen Leistung verlangen, daß seine Mitschuldner ihren Anteilen entsprechend zur Befriedigung des Gläubigers mitwirken (RGZ 79, 288 [290]; Staudinger 9. Auflage § 426 A ll b). Aber diese Beitragspflicht der Mitschuldner begründet nur einen Anspruch auf Zahlung eines entsprechenden Betrages an den Gläubiger, nicht an den in Anspruch genommenen Gesamtschuldner selbst. Zahlung an sich selber kann dieser vielmehr erst verlangen, wenn er seinerseits an den Gläubiger geleistet hat."
Rz. 483
Die Verletzung dieser Freistellungsverpflichtung führt zur Schadensersatzpflicht des Inhalts, dass sie für die angefallenen Zinsen und Kosten in Höhe von zusammen ⅔ haften.
Was wäre, wenn T ihren Brüdern den Streit verkündet hätte?
Rz. 484
Wirkungen der Streitverkündung: Die Streitverkündungsschriften müssen in formeller Hinsicht in Ordnung sein und wirksam zugestellt werden, §§ 72, 73 ZPO. Die Streitverkündeten (die beiden Brüder) können im Reg...