Rz. 372

Trotz des auf Auseinandersetzung gerichteten Zwecks der Erbengemeinschaft (Auseinandersetzungsanspruch nach § 2042 Abs. 1 BGB) muss der Nachlass zwischen dem Erbfall und der endgültigen Erbauseinandersetzung zur Erhaltung als Haftungsmasse sinnvoll verwaltet werden. Diese Verwaltungsbefugnis kommt den Miterben zu, es sei denn, der Erblasser hätte sie einem Testamentsvollstrecker übertragen. Die Verwaltung umfasst alle Maßnahmen zur Erhaltung oder Vermehrung des Nachlasses, gleichgültig, ob es sich um Maßnahmen des Innenverhältnisses oder des Außenverhältnisses handelt.

 

Rz. 373

Der gegenseitigen Mitwirkungspflicht der Miterben zu ordnungsmäßigen Verwaltungsmaßnahmen steht eine Sanktion bei der Erbenhaftung gegenüber: die gesamtschuldnerische Haftung nach § 2058 BGB. Diese gravierende Rechtsfolge für jeden einzelnen Miterben erfordert die Werterhaltung des Nachlasses durch sinnvolle Verwaltungsmaßnahmen, damit nicht durch eine Wertminderung eine Unterdeckung eintritt, die zu einer Haftung der Erben mit dem Eigenvermögen führen könnte.

 

Rz. 374

Vor diesem Hintergrund ist auch das Erfordernis der Einstimmigkeit zu außerordentlichen Verwaltungsmaßnahmen zu sehen, § 2038 Abs. 1 S. 1 BGB. Das wirtschaftliche Risiko außergewöhnlicher Verwaltungsmaßnahmen soll nur dann eingegangen werden können, wenn jeder Miterbe zustimmt, weil ihn auch die gesamtschuldnerische Haftung des § 2058 BGB trifft. Ein Mehrheitsbeschluss reicht für solche außerordentlichen Maßnahmen nicht.

 

Rz. 375

Beispiele für außerordentliche Verwaltung:

Umänderung einer Erbengemeinschaft in eine werbende Gesellschaft;
Umwandlung eines Gewerbes in ein Unternehmen einer anderen Branche.
 

Rz. 376

Einen Sicherungsmechanismus zur Erhaltung des Nachlasses enthält auch die Regelung über die Notgeschäftsführung (§ 2038 Abs. 1 S. 2 a.E. BGB). Sie ist zulässig bei bedeutsamen Maßnahmen in Dringlichkeitsfällen, wenn die Stellungnahme bzw. Zustimmung der anderen Miterben nicht mehr eingeholt werden kann. Allerdings fallen nur Maßnahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung darunter. (Beispiel: Wasserrohrbruch im Wohnhaus der Erbengemeinschaft. Ein Miterbe kann die erforderlichen Reparaturaufträge im Namen aller Miterben erteilen. Aus dem Auftrag entsteht eine Nachlassverbindlichkeit). Lagen die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen einer Notverwaltungsmaßnahme nicht vor, so haftet der handelnde Miterbe allein, eine Nachlassverbindlichkeit entsteht dann nicht.

 

Rz. 377

Erfüllung von Nachlassverbindlichkeiten als ordnungsgemäße Verwaltung:

Die Berichtigung von Nachlassverbindlichkeiten ist grundsätzlich eine Maßnahme der ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses,[334] deshalb sind alle Erben gem. § 2038 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BGB zur Mitwirkung verpflichtet.

Außerdem hat jeder Miterbe gegenüber den anderen Miterben Anspruch auf Mitwirkung bei der Tilgung von Nachlassverbindlichkeiten mit Mitteln des Nachlasses auf der Grundlage von § 2046 Abs. 1 S. 1 BGB – gleichgültig, ob die Auseinandersetzung des Nachlasses bevorsteht oder nicht. Allerdings hat diese Vorschrift nur Wirkung im Innenverhältnis zwischen den Miterben, nicht auch im Verhältnis zu den Nachlassgläubigern.[335]

[334] OLG Celle FamRZ 2003, 1224 m. Anm. Schindler, FamRZ 2004, 139 = ZEV 2003, 203 = OLGR Celle 2003, 232; Soergel/Wolf, § 2038 BGB Rn 3.
[335] BGHZ 57, 84, 93; RGZ 95, 325, 328; KG OLGE 9, 389, 391; MüKo/Fest, § 2046 BGB Rn 3; Soergel/Wolf, § 2046 BGB Rn 2; Staudinger/Werner, § 2046 BGB Rn 1; Grüneberg/Weidlich, § 2046 BGB Rn 1.

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