1. Allgemeines
Rz. 298
Nicht jeder Nachlass lohnt den finanziellen Aufwand einer Nachlassverwaltung oder eines Nachlassinsolvenzverfahrens. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten verzichtet deshalb das Gesetz in den Fällen, in denen keine die Kosten deckende Masse vorhanden ist, auf eine Gütersonderung und lässt dem Erben den Vorteil der beschränkten Haftung trotzdem – auch wenn keines der zwei Nachlassverfahren durchgeführt wird – durch eine einfache Einrede zukommen. Dies gilt selbst dann, wenn dem Erben ein Vermächtnis hinterlassen ist.
Die Einrede kann entweder außergerichtlich oder im Prozess erhoben werden.
Zwei Arten der Dürftigkeit sind zu unterscheiden:
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die Dürftigkeit kraft Tatbestandswirkung, |
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die tatsächliche Dürftigkeit. |
2. Voraussetzungen der Dürftigkeit kraft Tatbestandswirkung
Rz. 299
Wurde die Anordnung der Nachlassverwaltung mangels Masse abgelehnt (§ 1982 BGB) oder der Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens mangels Masse abgewiesen (§ 26 InsO), so ist mit den entsprechenden Gerichtsbeschlüssen der Nachweis der Dürftigkeit geführt (vgl. Muster Rdn 307). Dasselbe gilt, wenn die Verfahren mangels Masse eingestellt wurden (§ 1988 Abs. 2 BGB; § 207 InsO). Ein weiterer Nachweis der Dürftigkeit braucht nicht geführt zu werden.
3. Voraussetzungen der tatsächlichen Dürftigkeit
Rz. 300
Für die Beurteilung der tatsächlichen Dürftigkeit kommt es nicht auf den Zeitpunkt des Erbfalls an, sondern auf den Zeitpunkt der Entscheidung über die Einrede, im Prozess also die letzte mündliche Tatsachenverhandlung.
Rz. 301
Auf die Art der Forderung, die gegenüber dem Erben geltend gemacht wird, kommt es nicht an. Auch der Pflichtteilsanspruch und der Anspruch auf Wertermittlung des Nachlasses gem. § 2314 Abs. 1 S. 2 BGB können darunterfallen, ebenso die Betreuervergütung nach dem Tod des Betreuten, der Wertersatzanspruch des Erbvertrags-Vermächtnisnehmers nach § 2288 BGB und öffentlich-rechtliche Ansprüche.
Der Erbe kann gegenüber dem pflichtteilsberechtigten Nichterben nicht nur die Einholung eines Wertgutachtens i.S.d. § 2314 Abs. 1 S. 2 BGB, sondern auch die von ihm nach § 2314 Abs. 1 S. 3 BGB verlangte Einholung eines notariellen Nachlassverzeichnisses gem. § 1990 Abs. 1 S. 1 BGB verweigern, wenn ein Aktivnachlass, aus dem die Kosten für den Notar entnommen werden können, nicht vorhanden ist.
Rz. 302
Ohne dass entsprechende Gerichtsbeschlüsse zur Frage der Dürftigkeit des Nachlasses vorlägen, hat der Erbe den Umfang des Nachlasses bezüglich aller Aktiva und Passiva darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen. OLG Düsseldorf:
Zitat
"Der Erbe ist durch einen Beschluss, der die von ihm beantragte Anordnung der Nachlassverwaltung ablehnt, weil der angeforderte Gerichtskostenvorschuss nicht eingezahlt worden ist, nicht beschwert. Die Dürftigkeit des Nachlasses kann nämlich auch anders als durch einen Zurückweisungsbeschluss mangels Masse nachgewiesen werden."
Dies kann etwa durch Vorlage eines vom Erben nach § 2009 BGB errichteten Inventars erfolgen (vgl. Muster Rdn 310).
4. Geltendmachung der Dürftigkeit
a) Darlegungs- und Beweislast des Erben
Rz. 303
Wird der Erbe verklagt, so muss er die Aufnahme eines Haftungsbeschränkungsvorbehalts nach § 780 ZPO in den Urteilstenor beantragen (vgl. das Muster für einen entsprechenden Klageerwiderungsschriftsatz unten Rdn 307).
Rz. 304
Der Erbe hat darzulegen und erforderlichenfalls auch zu beweisen, dass der Nachlass unzulänglich ("dürftig") ist. Das Gericht trifft dann eine entsprechende Aufklärungspflicht. Dazu der BGH im Falle der Geltendmachung der Dürftigkeit des Nachlasses gegenüber einem Pflichtteilsergänzungsanspruch:
Zitat
"Hat der Erbe gegenüber dem Pflichtteilsergänzungsanspruch die Einrede der Unzulänglichkeit des Nachlasses (§ 1990 BGB) erhoben, so muss das Prozessgericht entweder die Frage des Haftungsumfangs sachlich aufklären und darüber entscheiden oder den Vorbehalt der Haftungsbeschränkung gem. § 780 Abs. 1 ZPO aussprechen (Bestätigung von BGH NJW 1983, 2378)".
Prozessual verhindert der Erbe die Einzelvollstreckung eines Nachlassgläubigers in sein Eigenvermögen in entsprechender Anwendung von § 784 Abs. 1 ZPO i.V.m. §§ 785, 767 ZPO, sofern er den Haftungsbeschränkungsvorbehalt in den Tenor des Ersturteils hat aufnehmen lassen.
Rz. 305
Maßgebender Zeitpunkt für das Nichtvorhandensein einer entsprechenden Nachlassmasse ist nicht der Erbfall, sondern der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zur Entscheidung über die Einrede. Denn: Der Nachlass kann auch nachträglich dürftig geworden sein. Allerdings kann der Erbe einer Eigentum...