Prof. Karl-Otto Bergmann, Dr. Carolin Wever
Rz. 107
Der Versicherungsnehmer hat sich im Falle nicht ausreichender Deckungssumme ab dem Zeitpunkt entsprechender Erkenntnisse einer solchen Lücke mit der nichtgedeckten Quote an den Zahlungen zu beteiligen. Das Verteilungsverfahren ist also einzuleiten, sobald sich prognostizieren lässt, dass die Deckungssumme nicht ausreichen wird. Um ein solches anspruchsvolles Verfahren zu vermeiden, hat der Versicherer grundsätzlich einen Vergleich im Rahmen der Deckungssumme anzustreben.
Im Übrigen ist die Höhe der berechtigten Forderungen durch Berechnung der Kapitalforderungen in der Summe und der Rentenforderungen nach ihrem Barwert festzustellen. Der Versicherer soll unbedingt vermeiden, ungekürzt bis zum Erreichen der Versicherungssumme zu zahlen und sich dann zu "verabschieden". Bei erkennbarem Überschreiten der Versicherungssumme sind die Ansprüche wie folgt zu kürzen:
Wird der Zeitpunkt versäumt, hat der Versicherer hinsichtlich der Zahlungen für die Vergangenheit, welche den gekürzten Betrag überschreiten, einen Bereicherungsanspruch gegen den Versicherungsnehmer, mit dem gegen den gekürzten Freistellungsanspruch aufgerechnet werden kann. Beruft sich der Geschädigte im Haftpflichtprozess gegen den Vortrag des Haftpflichtversicherers, die Versicherungssumme reiche zur Befriedigung mehrerer Betroffener nicht aus, auf sein Befriedigungsvorrecht aus § 116 Abs. 4 SGB X, so findet das Verteilungsverfahren trotzdem statt. Zunächst findet die anteilige Kürzung aller Forderungen statt, dann erhält der Geschädigte einen Anteil von den Ansprüchen seiner Rechtsnachfolger in der Höhe, wie es erforderlich ist, um seinen Ausfall infolge der Kürzung auszugleichen. Nichtsozialversicherungsgeschädigte genießen in der Regel ebenfalls Befriedigungsvorrechte vor anderen Drittleistungsträgern, z.B. § 82 Abs. 1 S. 2 VVG. Danach darf der Versicherer den Forderungsübergang nicht zum Nachteil seines Versicherten geltend machen.
Sieht man die Arzthaftpflichtversicherung als Pflichtversicherung i.S.d. § 113 VVG, gilt die Sonderregelung des § 118 VVG, die aus Gründen des Opferschutzes den Direktgeschädigten als Befriedigungsbevorrechtigten ansieht. In diesem Fall ist das Kürzungs- und Verteilungsverfahren gemäß § 109 VVG bereits im Prozess zu berücksichtigen.
Gemäß Ziff. 6.5 der AHB werden die Aufwendungen des Versicherers für Kosten nicht auf die Versicherungssumme angerechnet.
Die Kürzung und Verteilung durch den Versicherer erfolgt in der Regel im Rahmen des Freistellungsanspruches des Versicherungsnehmers, den sich der Geschädigte pfänden und überweisen lassen wird bzw. sollte.