Prof. Karl-Otto Bergmann, Dr. Carolin Wever
Rz. 42
Verletzt ein beamteter Arzt fahrlässig seine Dienstpflichten, tritt beim totalen Krankenhausaufnahmevertrag (siehe Rdn 39) nach § 839 Abs. 1 BGB, Art. 34 GG die deliktische Haftung des Dienstherrn an die Stelle der persönlichen Haftung. Daneben besteht die deliktische Haftung des Krankenhausträgers. Die Verweisungsmöglichkeit gilt auch im Rahmen einer Wahlleistungsvereinbarung nach § 22 BPflV 1995. Von der vertraglichen Haftung ist der beamtete Arzt nicht befreit. Sofern ausdrücklich ein gespaltener Arzt-Krankenhaus-Vertrag (siehe Rdn 40) vereinbart wird, haftet der selbst liquidierende beamtete Arzt mangels anderer Ersatzpflichtiger für Fehler in seinem Verantwortungsbereich allein. Für Schädigungen aus einer fehlerhaften ambulanten Behandlung von Privatpatienten gilt das Verweisungsprivileg ebenfalls nicht.
Rz. 43
Auch beim nicht beamteten Arzt haftet in den Fällen hoheitlichen Handelns nicht der Arzt persönlich, sondern die Anstellungskörperschaft (z.B. Alkoholtest, Röntgenreihenuntersuchung, Schutzimpfung oder -unterbringung).
Die Amtshaftung nach § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG geht als Spezialregelung allen übrigen Deliktstatbeständen des BGB vor und verdrängt diese. Es kommt insoweit entscheidend darauf an, ob die Tätigkeit als Impfarzt eine Ausübung eines öffentlichen Amtes darstellt, weil es sich bei der Verabreichung des Corona-Schutzimpfstoffs um eine hoheitliche Tätigkeit handelt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum (inzwischen durch das Infektionsschutzgesetz abgelösten) Bundesseuchengesetz handelt der Impfarzt bei Durchführung einer staatlichen Schutzimpfung entsprechend der Impfempfehlungen des Robert-Koch-Instituts hoheitlich. Es bedarf insoweit einer besonderen Zuordnung zum Staat, denn die Rechtsprechung bewertet längst nicht alle Impfungen als hoheitlich, nur weil die Ständige Impfkommission des Robert-Koch-Instituts diese empfiehlt.
Während die Ärzte, die im Zuge der Einrichtung der Impfzentren oder bei Impfung in den Heimen staatliche Aufgaben im Rahmen der Gesundheitsfürsorge wahrnehmen und deshalb aufgrund einer Haftungsprivilegierung gem. § 839 BGB, Art. 34 GG nicht persönlich in Anspruch genommen werden können, weil es sich um eine hoheitliche Tätigkeit handelt und der Staat hierfür anstelle des ausführenden Organs haftet, gilt dies für die Aufnahme und Behandlung der an Corona Erkrankten in das Krankenhaus nicht. Hier ist das Risiko eines Fehlschlages der Behandlung, insbesondere das Todesrisiko, zwangsläufig Bestandteil der ärztlichen Behandlung im Rahmen des privatrechtlichen Krankenhausaufnahmevertrages, so dass Pflegepersonal, Arzt und Krankenhausträger zivilrechtlich in Anspruch genommen werden können und die Heilwesen-Haftpflichtversicherung des Krankenhausträgers, wenn sie abgeschlossen worden ist, etwaige Schäden deckt.
Rz. 44
Der Arzt als gerichtlicher Sachverständiger übt zwar keine hoheitliche Gewalt aus, er ist aber Gehilfe des Richters und haftet gegenüber den Prozessparteien grundsätzlich zumindest nicht für ein einfach fahrlässig unrichtiges Gutachten. Nur dann, wenn ein vom Gericht ernannter Sachverständiger vorsätzlich oder grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten erstattet, ist er zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der einem Verfahrensbeteiligten durch eine gerichtliche Entscheidung entsteht, die auf diesem Gutachten beruht (§ 839a Abs. 1 BGB).
Rz. 45
Der Durchgangsarzt wird bei seiner Entscheidung über das Ob und Wie einer berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung nach § 28 Abs. 1 SGB VII hoheitlich tätig. Insoweit haftet die Berufsgenossenschaft für etwaige Amtspflichtverletzungen. Bei der ärztlichen Erstversorgung und der späteren Durchführung der Heilbehandlung handelt der Durchgangsarzt dagegen nicht in Ausübung eines öffentlichen Amtes. Olzen vertritt die These, dass alle Fehler, die auf einen Diagnosefehler des Durchgangsarztes bei der Entscheidung über die Vornahme einer berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung zurückzuführen sind, insgesamt dem Unfallversicherungsträger zuzurechnen seien. Soweit ersichtlich, war die Rechtsprechung der Obergerichte zu dieser Auffassung nicht einheitlich. Der BGH hat diese Streitfrage mit Urt. v. 29.11.2016 – VI ZR 208/15 entschieden: Die vom Durchgangsarzt im Rahmen der Eingangsuntersuchung vorgenommene Erstuntersuchung zur Diagnosestellung und die Diagnosestellung als solche sind als hoheitlich i.S.v. Art. 34 GG, § 839 BGB zu qualifizieren mit der Folge der Haftung der Berufsgenossenschaft für etwaige Fehler in diesem Bereich.