Rz. 105
Von einer "aufgeschobenen Leibrente" spricht man z.B. bei einem Rentenverkürzungsschaden ab dem Alter von 65 Jahren.
Beispiel (LG Stuttgart DAR 2007, 467)
V hat ab Vollendung des 65. Lebensjahres bis zum Tode einen Rentenverkürzungsschaden von jährlich 15.000 EUR. Mit dem Rentenverkürzungsschaden werden die Nachteile ausgeglichen, die dem V durch die Nichtabführung von Rentenversicherungsbeiträgen entstanden sind und noch entstehen. Den Beitragsregress nach § 119 SGB X gab es zur Zeit des Unfalls des V noch nicht. Geburtsdatum 2.1.1958, Stichtag 1.1.2005. Wie hoch ist der Barwert? Es handelt sich um eine aufgeschobene lebenslängliche Leibrente auf ein Leben.
a) Berechnung nach Empfehlung Nehls
Rz. 106
Hier ergibt sich eine näherungsweise Lösung mit den Tabellen 1 und 2 (siehe § 14 Rdn 19 f.). Dabei ist wie folgt vorzugehen: Zunächst ist der Faktor der sofort beginnenden Leibrente zu ermitteln. Dieser Faktor ist jedoch zu hoch. Er muss vermindert werden um den Faktor der sofort beginnenden temporären Leibrente bis Alter 65 Jahre. In diesem Zeitraum steht dem V die Rente noch nicht zu. Den Rechnungszinsfuß setzen wir mit 2,5 % an. Laufzeit 322,144 Jahre, Faktor lebenslänglich (Zeitrente 32 Jahre, Zinssatz 2,5 Prozent, Anhang 15, Tabelle 1, siehe § 14 Rdn 19). Faktor bis 65 14,547 (siehe Rdn 98). Der verminderte Faktor lautet (22,144 minus 14,547 gleich) 7,597 und der Barwert (7,597 x 15.000 EUR gleich) 113.955 EUR.
b) Versicherungsmathematische Einwendungen
Rz. 107
Versicherungsmathematisch wird gegen den Faktor 7,597 zu Recht eingewandt, dass die Vorversterbensmöglichkeit des V nicht berücksichtigt sei.
c) Lösung durch "capitalisator"
Rz. 108
Der "capitalisator" ermittelt folgenden versicherungsmathematischen Barwert: – Sterbetafel 2005/2007, Mortalitätsrente auf ein Leben, Mann Alter 47 Jahre, in 18 Jahren (Alter 65 Jahre) beginnend, dann lebenslänglich, Kapitalzinsfuß (Rechnungszinsfuß) 2,5, vierteljährlich vorschüssig, Jahresrente 15.000 EUR – 111.659 EUR.
d) Berechnungsweise Versicherer
Rz. 109
Liegt ein "wichtiger Grund" nicht vor, wird die Assekuranz folgendes Angebot unterbreiten – es wird unterstellt, dass die Assekuranz die Jahresrente in Höhe von 15.000 EUR akzeptiert: Faktor Küppersbusch/Höher (a.a.O., 13. Auflage) 5 %, Alter 47 Jahre (Tabelle I/1 – lebenslänglich) 15,665 EUR minus Faktor (Tabelle I/4 – bis 65 Jahre) 11,578 gleich 4,087; Barwert 4,087 x 15.000 EUR gleich 61.305 EUR!
e) Berechnung durch Gericht
Rz. 110
Liegt ein "wichtiger Grund" vor, kann mit einer Verurteilung der Assekuranz in Höhe von etwa 111.000 EUR gerechnet werden. Das LG Stuttgart errechnet 73.000 EUR. Es berücksichtigt irrtümlich eine Rentendynamik in Höhe der Inflationsrate nicht.