Rz. 23

Die bisherige Rechtsprechung ist unergiebig und lässt weitestgehend offen, wann ein "wichtiger Grund" vorliegt.

 

Rz. 24

Als "wichtiger Grund" kann danach in Betracht kommen:

Die Möglichkeit, sich mit der Abfindungssumme ein Eigenheim zu kaufen.
Die Möglichkeit, sich mit dem Kapital eine neue Existenz zu verschaffen, insbesondere der Wunsch eines jugendlichen Verletzten, sich selbstständig zu machen, um den wegen der Erwerbsunfähigkeit auf andere Weise zu erzielenden Lebensunterhalt zu gewinnen (RG JW 1933, 840).
Es genügt auch, dass nach den Umständen eine Kapitalabfindung, durch die etwa Fremdmittel abgelöst werden können, wirtschaftlich günstiger ist als eine Rentenzahlung für Mehrbedarf.
Zu befürchtende Zahlungsschwierigkeiten des Pflichtigen, insbesondere wenn er zu einer Sicherheitsleistung nicht in der Lage ist (BGH zfs 1981, 105; VersR 1981, 283).
Schwierigkeiten, die sich ergeben können, wenn der Schädiger nach Hinterlassung zahlreicher Erben verstorben ist.
Schwierigkeiten bei Erhebung und Beitreibung einer Rente infolge ausländischen Wohnsitzes des Verletzten oder des Pflichtigen oder häufigen Wohnsitzwechsels des Pflichtigen.
Ein "wichtiger Grund" kann auch der günstige Einfluss sein, den nach ärztlichem Gutachten die Gewährung einer Abfindung voraussichtlich auf den krankhaft nervösen Zustand des Verletzten durch Beseitigung der Unsicherheit über die Ersatzansprüche ausüben wird (RGZ 73, 418).
Bei Behinderten ist in solchen Fällen neben den wirtschaftlichen Gegebenheiten der Notwendigkeit eines für sie "würdigen" Schadensausgleichs gesteigerte Beachtung zu schenken.
 

Rz. 25

In neuerer Zeit werden die Voraussetzungen eines "wichtigen Grundes" durch den Prozessvortrag der Geschädigtenvertreter immer wieder ausgeweitet. Mit Erfolg, wie das Urteil des LG Stuttgart (DAR 2007, 467 ff.) zeigt. Dort heißt es in den Urteilsgründen:

 

Rz. 26

Zitat

Ein "wichtiger Grund" für eine Kapitalabfindung liegt vor, wenn der Zweck der Ersatzleistung besser und nachhaltiger dadurch erreicht werden kann, dass dem Verletzten eine größere Geldsumme auf einmal in die Hand gegeben wird. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Geschädigte einen ausstattungsbedingten oder räumlichen Mehrbedarf hat (BGH VersR 1982, 238; OLG Stuttgart VersR 1998, 366). In der Person des Klägers sind damit vergleichbare erhöhte Bedürfnisse hinsichtlich seiner Wohnsituation gegeben. Auf der Grundlage der eingeholten Sachverständigengutachten kann davon ausgegangen werden, dass der Kläger dazu neigt, gereizt und aufbrausend zu reagieren. Er ist stark geräuschempfindlich und zeigt schon bei geringen Belastungen Aggressionsausbrüche. Daraus folgt, dass der Kläger ein Wohnumfeld benötigt, das möglichst wenige Stressfaktoren setzt. […] Dem labilen Wesen des Klägers entspricht mehr ein Wohnumfeld, das dem Kläger ausreichend Rückzugsmöglichkeiten gibt und bei dem der Kläger in seinem Verhalten nicht auf die Nachbarschaft Rücksicht zu nehmen hat. Die Ehefrau des Klägers hat einen dahingehenden gemeinsamen Wohnwunsch nachvollziehbar geäußert und das Vorhaben erläutert, in ein Haus in einer weniger dicht besiedelten Gegend umzuziehen. Zur Verwirklichung dieses Umzugs besteht ein hoher Kapitalbedarf. Bei monatlichen Rentenzahlungen wäre der Handlungsspielraum des Klägers dementsprechend erheblich eingeschränkt. Er müsste dann weiterhin mit möglichen Konflikten rechnen, denen er bei einer Kapitalabfindung und einer für ihn günstigeren Wohnsituation aus dem Weg gehen kann.

 

Rz. 27

Zitat

Ferner ist zu berücksichtigen, dass sich die Regulierungsverhandlungen mittlerweile deutlich länger als 20 Jahre hinziehen. Dies lässt es als erstrebenswert erscheinen, dass die Parteien nunmehr endgültig auseinander kommen. Der Sachverständige hat insoweit bei seiner Anhörung am 17.12.2003 darauf hingewiesen, dass Verfahren mit einer Dauer der vorliegenden Art für Patienten mit der Schädigung des Klägers sehr zermürbend sind, weshalb eine Kapitalabfindung vorteilhaft wäre. Dies gilt umso mehr, als seit der Anhörung des Sachverständigen ein weiteres Jahr verstrichen ist. Die Belange des Klägers nach einer Absicherung für die Zukunft erachtet das Gericht bei einer Kapitalabfindung für nicht gefährdet. Es bestehen keine vernünftigen Zweifel daran, dass eine Kapitalabfindung in die Zukunftssicherung des Klägers fließen wird.“

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