Rz. 71
Diskutiert wird in der Literatur, welche Möglichkeiten die Verlängerung der Verjährung des Pflichtteilsanspruchs auf bis zu 30 Jahre (§ 202 Abs. 2 BGB) bietet, und ob dies bereits vor dem Todesfall vom Erblasser angeordnet werden kann. Grund hierfür ist insbesondere, dass die Pflichtteilsgeltendmachung im ersten Erbfall beim Berliner Testament eine interessante Gestaltungsmöglichkeit zur Ausnutzung der Erbschaftsteuerfreibeträge ist, der Längerlebende aber nicht sofort mit einer fälligen Geldforderung belastet werden soll.
Rz. 72
Amann geht offenbar davon aus, dass die Verjährungsverlängerung mit unmittelbarer Wirkung in der Verfügung von Todes wegen getroffen werden könne, während andere, wenn sie die Verjährungsverlängerung bezüglich des Pflichtteils überhaupt zulassen, zu Recht nur die Möglichkeit sehen, dass der Erblasser mittels eines Vermächtnisses oder einer Auflage eine derartige Anordnung trifft. Denn im Hinblick auf die abschließende Regelung der erbrechtlich zulässigen Anordnungen nach den §§ 1936 ff. BGB kann der Erblasser nur durch ein Vermächtnis oder eine Auflage eine dahingehende Verpflichtung begründen, die dann nach Eintritt des Erbfalls durch Abschluss der entsprechenden Vereinbarung über die Verjährungsverlängerung zu vollziehen ist. Damit hierauf auch ein Anspruch besteht, empfiehlt sich grundsätzlich nur eine entsprechende Vermächtnisanordnung zugunsten des aus der Verjährungsverlängerung Begünstigten. Die weitere Konsequenz aus dem numerus clausus der erbrechtlichen Gestaltungsformen ist noch gravierender:
Rz. 73
Denn weiter ist zu unterscheiden, wer den Anspruch auf Abschluss der Vereinbarung zur Verjährungsverlängerung erhält: (1) Soll dem Pflichtteilsberechtigten ein diesbezüglicher Anspruch zugewandt werden, so bereitet es keine Probleme, diesem ein Vermächtnis einzuräumen. (2) Problematischer ist, wenn dem Erben als Pflichtteilsschuldner gegen den Pflichtteilsberechtigten ein entsprechender Anspruch eingeräumt werden soll: Denn belastet werden kann mit einem Vermächtnis oder einer Auflage nur jemand, der Erbe oder wenigstens Vermächtnisnehmer ist, so dass ein entsprechender Anspruch gegen den Pflichtteilsberechtigten nur begründet werden kann, wenn dieser auch Vermächtnisnehmer oder gar Erbe ist. Zudem ist dessen Ausschlagungsmöglichkeit nach § 2306 Abs. 1 BGB zu beachten. In der Regel ist aber der Pflichtteilsberechtigte gerade völlig enterbt und erhält auch kein Vermächtnis. Ein Anspruch auf Abschluss der Verjährungsverlängerung des Pflichtteilsanspruchs kann daher dem Pflichtteilsschuldner nur eingeräumt werden, wenn dem pflichtteilsberechtigten Erben oder Vermächtnisnehmer weniger als sein gesetzlicher Pflichtteil zugewandt wird und er deswegen einen Pflichtteilsrestanspruch hat (§§ 2305, 2307 BGB), hinsichtlich dessen die Verjährungsverlängerung sinnvoll ist. Daneben kann ein entsprechender Anspruch auf Abschluss der Verjährungsverlängerung dem Pflichtteilsschuldner auch hinsichtlich eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs (§ 2325 BGB) zugewandt werden, der einem Erben oder Vermächtnisnehmer zusteht (§ 2326 BGB); berechtigt hieraus kann dann der Erbe sein, soweit sich der Ergänzungsanspruch gegen ihn richtet (§ 2325 BGB), aber auch der Beschenkte hinsichtlich des gegen ihn gerichteten Anspruchs nach § 2329 BGB.
Rz. 74
Häufig wird in der Literatur verkannt, dass es zu dieser Verjährungsverlängerung nach Eintritt des Erbfalls einer entsprechenden Vereinbarung mit dem Pflichtteilsberechtigten bedarf. Dem kann auch nicht entgegnet werden, dass eine derartige Vereinbarung ein "lediglich rechtlicher Vorteil" für den Pflichtteilsberechtigten ist. Denn wird die Verjährungsfrist hinausgeschoben, so besteht in der Praxis die Gefahr, dass der Pflichtteilsschuldner sich über Gebühr mit der Erfüllung des Anspruchs Zeit nimmt und Prozessverschleppung betreibt. Zudem kann es sein, dass dem Pflichtteilsberechtigten sogar an einer schnellen Verjährung des Pflichtteilsanspruchs gelegen ist, etwa weil er befürchtet, dass bei seiner baldigen Pflegeheimunterbringung der Sozialhilfeträger den Pflichtteilsanspruch überleiten könnte. Erklärt er aber einen unentgeltlichen Erlass (§ 397 BGB) auf den Pflichtteilsanspruch, unterliegt dieser nach § 528 BGB der Überleitungsmöglichkeit auf den Sozialhilfeträger.
Rz. 75
Eine Verjährungsvereinbarung zwischen den künftigen Pflichtteilsberechtigten und den künftigen Erben noch zu Lebzeiten des Erblassers wäre im Übrigen auch an § 311b Abs. 4 S. 2 und Abs. 5 BGB und der dabei einzuhaltenden Form zu messen.
Formulierungsvorschlag: Bonefeld, ZErb 2002, 321.