Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 123
Ein weiteres Beispiel stammt aus dem Gesetz über die Conterganstiftung für behinderte Menschen. Danach haben behinderte Menschen, deren Fehlbildungen mit der Einnahme thalidomidhaltiger Präparate durch die Mutter während der Schwangerschaft in Verbindung gebracht werden können, einen Anspruch auf Kapitalentschädigung, Leistungen zur Deckung spezifischer Bedarfe und lebenslängliche Conterganrente sowie eine jährliche Sonderzahlung (§ 13 ContStifG).
Rz. 124
§ 18 ContStifG regelt bedeutsame Nichtanrechnungsregeln beim Einkommen und Vermögen:
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Bei der Ermittlung oder Anrechnung von Einkommen, sonstigen Einnahmen und Vermögen nach anderen Gesetzen, insbesondere dem SGB II SGB III, SGB V, SGB IX und SGB XII bleiben Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz vollkommen außer Betracht. |
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Bei der Hilfe nach dem 5. bis 9. Kapitel des SGB XII (z.B. Hilfe zur Pflege) ist der leistungsberechtigten Person und ihrem nicht getrenntlebenden Ehegatten oder Lebenspartner die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen nach §§ 19 Abs. 3, 87 Abs. 1 und 88 SGB XII nicht zuzumuten. |
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Der Einsatz des Vermögens der leistungsberechtigten Person und ihres nicht getrenntlebenden Ehegatten oder Lebenspartners nach §§ 19 Abs. 3, 90 Abs. 3 S. 1 SGB XII stellt eine Härte dar. |
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Für Eingliederungshilfebezieher nach Teil 2 SGB IX wird ein Beitrag nach § 92 SGB IX nicht erhoben. Das gilt auch für die nach diesem Gesetz leistungsberechtigten Personen, die nach Inkrafttreten des Bundesteilhabegesetzes Leistungen nach § 103 SGB IX erhalten. |
Rz. 125
Lebzeitig gibt es für die Gruppe der contergangeschädigten Menschen also finanzielle Zuflüsse oberhalb der Sozialhilfe, so dass ein Behindertentestament im klassischen Sinne die Lebenssituation des Betroffenen möglicherweise nicht mehr nachhaltig verbessern kann.
Der Gestaltungsbedarf liegt beim eigenen Tod des behinderten Menschen. Das BSG hat eine postmortale Verschonung des aus Conterganleistungen angesparten Nachlassvermögens abgelehnt, weil die Vorschriften über nicht einzusetzendes Einkommen und Schonvermögen allein dem Schutz des Sozialhilfeberechtigten, nicht aber seinen Erben dient. Es ist aber immer fraglich, inwieweit heute noch die sozialhilferechtliche Erbenhaftung greift, die eine Vorerbschafts-/Nacherbschafts- oder Vorvermächtnisleistung fordert. Im Regelfall erhalten Menschen mit solchen von Geburt an bestehenden Behinderungen seit dem 1.1.2020 Eingliederungshilfe nach SGB IX und nicht Hilfe zur Pflege nach §§ 61 ff. SGB XII, so dass die sozialhilferechtliche Erbenhaftung gar keine Rolle mehr spielt. Für die existentielle Sicherung wird in der Regel Grundsicherung nach §§ 41 ff. SGB XII benötigt. Und auch diese unterliegt nach § 102 Abs. 5 SGB XII nicht der sozialhilferechtlichen Erbenhaftung. Es gibt also nur einzelne spezielle Fälle – wie z.B. die Hilfe zur Pflege – die zu großen Beträgen für die Erbenhaftung führen können.