Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 234
Das Auftreten von Vorerben, Nacherben, Testamentsvollstrecker und gesetzlichem Vertreter im Behindertentestament birgt abstrakt die Gefahr von Interessenkollisionen:
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Die Übertragung der Testamentsvollstreckung auf Familienangehörige wird – trotz oder gerade wegen ihrer Nähe zum Erben – als zulässig angesehen. |
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Grundsätzlich ist die Bestellung des Nacherben zum Testamentsvollstrecker des Vorerben nach allgemeiner Auffassung zulässig. Dafür spricht auch die erste Entscheidung des BGH zum Behindertentestament, bei der eine Gesellschaft zur Unterstützung Behinderter mbH zur Nacherbin und Dauertestamentsvollstreckerin der behinderten Vorerbin bestimmt worden war. |
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Das Zusammentreffen von gesetzlicher Vertretung des Bedürftigen und Testamentsvollstreckung für den Bedürftigen wird z.T. für unzulässig gehalten. |
Gesetzliche Vertretung kann in der Form der Elternstellung und der Vormundschaft (§§ 1773 ff. BGB) bei Minderjährigen und der Betreuung von Volljährigen (§§ 1896 ff. BGB) auftreten.
Der Interessengegensatz wird daraus abgeleitet, dass dem gesetzlichen Vertreter gegenüber dem Testamentsvollstrecker grundsätzlich echte Überwachungsaufgaben zukommen. An der Wahrnehmung dieser Überwachungsaufgaben sei der gesetzliche Vertreter gehindert, so dass ein konkretes Bedürfnis für die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft/eines Ergänzungsbetreuers bestehe.
Rz. 235
Literatur, BGH und erste obergerichtliche Rechtsprechung stehen dem kritisch gegenüber und beanstanden zu Recht, dass nicht automatisch und von vornherein ein erheblicher Gegensatz i.S.d. § 1796 BGB unterstellt werden könne. Es muss eine Verhinderung des Betreuers, wie sie sich aus § 181 BGB, §§ 1908i Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 1795 BGB (ab 1.1.2023 § 1824 BGB n.F.) ergibt, vorliegen oder ein Entzug der Vertretungsmacht nach § 1796 BGB "konkret zu besorgen sein". Abstrakte Gefahrenüberlegungen reichen nicht aus. Das ist zutreffend und ergibt sich bei für den Betreuer aus dem in § 1897 Abs. 1 BGB (ab 1.1.2023 § 1816 BGB n.F.) verankerten Grundsatz der Einzelbetreuung und m.E. nach auch aus dem Gesamtkonstrukt der Vormundschaft bzw. der Betreuung.
Rz. 236
Für Menschen, für die Betreuung (§§ 1896 ff. BGB, ab 1.1.2023 §§ 1814 ff. BGB n.F.) angeordnet ist, gilt nach § 1905 Abs. 5 S. 2 BGB, dass sie das Zusammentreffen von Betreuung und Dauertestamentsvollstreckung dem Betreuungsgericht anzuzeigen haben. Für Menschen, die unter Betreuung stehen, gelten über die Verweisung des § 1908 i BGB vielfältige Vorschriften des Vormundschaftsrechts. Dazu gehört unabhängig vom Verbot des Insichgeschäfts nach § 181 BGB nach § 1795 BGB (ab 1.1.2023 § 1824 BGB n.F.) das Vertretungsverbot insbesondere für Rechtsgeschäfte zwischen dem Betreuten und den Verwandten in gerade Linie.
Rz. 237
§ 1908 i BGB verweist u.a. auch auf den erbrechtlich ausgerichteten § 1822 Nr. 1 und 2 BGB (ab 1.1.2023 § 1851 BGB n.F.) und den dort angeordneten Genehmigungserfordernissen:
Der Vormund bedarf der Genehmigung des Betreuungsgerichtes
1. |
zu einem Rechtsgeschäft, durch das der Betreute zu einer Verfügung über sein Vermögen im Ganzen oder über eine ihm angefallene Erbschaft oder über seinen künftigen gesetzlichen Erbteil oder seinen künftigen Pflichtteil verpflichtet wird, sowie zu einer Verfügung über den Anteil des Betreuten an einer Erbschaft, |
2. |
zur Ausschlagung einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses, zum Verzicht auf einen Pflichtteil sowie zu einem Erbteilungsvertrag, |
(…)
Der Betreuer bedarf aber auch der Genehmigung des Betreuungsgerichtes nach § 1821 BGB:
(1) Der Vormund bedarf der Genehmigung des Familiengerichts
1. |
zur Verfügung über ein Grundstück oder über ein Recht an einem Grundstück; |
2. |
zur Verfügung über eine Forderung, die auf Übertragung des Eigentums an einem Grundstück oder auf Begründung oder Übertragung eines Rechts an einem Grundstück oder auf Befreiung eines Grundstücks von einem solchen Recht gerichtet ist; |
3. |
zur Verfügung über ein eingetragenes Schiff oder Schiffsbauwerk oder über eine Forderung, die auf Übertragung des Eigentums an einem eingetragenen Schiff oder Schiffsbauwerk gerichtet ist; |
4. |
zur Eingehung einer Verpflichtung zu einer der in den Nummern 1 bis 3 bezeichneten Verfügungen; |
5. |
zu einem Vertrag, der auf den entgeltlichen Erwerb eines Grundstücks, eines eingetragenen Schiffes oder Schiffsbauwerks oder eines Rechts an einem Grundstück gerichtet ist. |
(2) (…)
Die Genehmigung für das vorstehend genannte Betreuerhandeln wird nur erteilt, wenn die vorgesehene Maßnahme dem Wohl des Betreuten entspricht (§ 1901 BGB). Die Belange Dritter spielen keine Rolle.
Rz. 238
Der Betreuer darf nach § 1804 BGB nichts verschenken, ausgenommen Anstands- und Sittlichkeitsgeschenke und die Zuwendungen nach § 1908 i Abs. 2 BGB. (ab 1.1.2023 § 1822 Nr. 8 BGB n.F.). Er darf das Vermögen des Betreuten nach § 1805 BGB (ab 1.1.2023 § 1836 Nr. 8 BGB n.F.) nicht für sich ver...