Dr. Tobias Eberl, Dr. Maximilian Haag
Rz. 82
Ist der Gesellschaftsvertrag nichtig oder unwirksam, finden nach höchstrichterlicher Rspr. und herrschender Meinung in der Lit. die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft Anwendung. Dies gilt nicht, soweit lediglich einzelne Vertragsbestandteile unwirksam sind und die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen aufgrund einer salvatorischen Klausel im Gesellschaftsvertrag davon nicht berührt werden soll.
Rz. 83
Ob die Anwendung dieser Grundsätze auf eine stille Gesellschaft allerdings interessengerecht ist, ist in der Lit. umstritten, da mangels Auftretens nach außen der Gesichtspunkt des Verkehrsschutzes jedenfalls keine Rolle spielt. Teilweise wird insofern auch zwischen typischer und atypischer stiller Gesellschaft differenziert. Dieser Streit ist aufgrund der klaren Haltung der höchstrichterlichen Rspr., die eine Anwendung der Grundsätze bejaht, allerdings eher akademischer Natur.
Rz. 84
Nach den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft kann eine einmal in Gang gesetzte Gesellschaft bei Vorliegen von Nichtigkeitsgründen nicht mehr für die Vergangenheit mit Wirkung ex tunc beseitigt, sondern nur ex nunc durch Kündigung aus wichtigem Grund beendet werden. Grundlage hierfür sind die Bedürfnisse des Verkehrsschutzes und des Bestandsschutzes. Sowohl ggü. den Gesellschaftsgläubigern als auch im Verhältnis der Gesellschafter untereinander wäre es unbillig, sich auf das Nichtbestehen der Gesellschaft wegen Nichtigkeit oder Unwirksamkeit zu berufen und die gesamte Gesellschaft rückabzuwickeln. Letzteres würde ohnehin meist auf kaum überwindbare praktische Schwierigkeiten stoßen. Bis zur Wirksamkeit der Kündigung richten sich die Rechtsbeziehungen der Gesellschafter untereinander nach dem unwirksamen Vertrag; an die Stelle der Regelung, die Ursache für die Vertragsnichtigkeit war, tritt eine angemessene Regelung.
Rz. 85
Die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft finden nach der Rspr. dort ihre Grenzen, wo gewichtige Interessen der Allgemeinheit oder besonders schutzwürdiger Personen entgegenstehen. Dies ist v.a. bei Gesetzeswidrigkeit oder grober Sittenwidrigkeit der Fall, kann aber auch in bestimmten Fällen von Täuschung, Drohung oder aufgrund des Minderjährigenschutzes gelten. Darüber hinaus kann sich der Inhaber des Handelsgeschäfts (§ 230 HGB) gegenüber dem stillen Gesellschafter nicht auf die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft berufen.
Rz. 86
Liegen die Voraussetzungen für eine fehlerhafte Gesellschaft vor, bedarf es zur sofortigen Beendigung der Gesellschaft lediglich der formlosen Kündigung, nicht aber einer Auflösungsklage. Die Beendigung der stillen Gesellschaft führt dann zur Auseinandersetzung nach den allgemeinen Grundsätzen (dazu unten Rdn 186 ff.).