Dr. Tobias Eberl, Dr. Maximilian Haag
Rz. 30
Eine atypische stille Gesellschaft liegt stets dann vor, wenn die im Einzelfall vereinbarten Regelungen wesentlich von dem im HGB niedergelegten gesetzlichen Leitbild abweichen. Dementsprechend kann handelsrechtlich nicht von "der" atypischen stillen Gesellschaft gesprochen werden, vielmehr ist die Anzahl der Abwandlungen atypischer Formen praktisch unbegrenzt. Gleichwohl hat sich in der Rechtswissenschaft eine gewisse Typisierung durchgesetzt.
aa) Stille Gesellschaft mit Vermögensbeteiligung des stillen Gesellschafters
Rz. 31
Verbreitet ist bspw. eine Vermögensbeteiligung des stillen Gesellschafters. Da dieser seine Einlage nach §§ 230 Abs. 1 HGB in das Vermögen des Geschäftsinhabers zu leisten hat, ist eine dingliche Beteiligung des stillen Gesellschafters am Handelsgeschäft des Inhabers ausgeschlossen. Zulässig ist aber eine schuldrechtliche Vereinbarung zwischen den Parteien, die den stillen Gesellschafter so stellt, als ob er tatsächlich dinglich am Vermögen des Handelsgeschäfts beteiligt wäre. Dem stillen Gesellschafter steht in diesem Fall nicht nur eine Beteiligung am Gewinn zu, sondern auch eine Beteiligung am Auseinandersetzungsguthaben bzw. Liquidationserlös des Handelsgeschäfts. Mit der Ausweitung der Vermögensrechte des stillen Gesellschafters geht regelmäßig eine Erweiterung seiner Kontrollrechte und eine Verschärfung der Treuepflicht des Geschäftsinhabers einher.
Rz. 32
Den Gläubigern des Geschäftsinhabers ggü. kann sich der stille Gesellschafter allerdings nicht auf seine (schuldrechtliche) Beteiligung am Handelsgeschäft berufen, da er keinen Anspruch auf Herausgabe des Geschäftsvermögens hat, sondern lediglich einen Zahlungsanspruch, dessen Höhe anhand einer Liquidationsbilanz ermittelt wird. Anders als bei der typischen stillen Gesellschaft ist dieser Anspruch aber nicht auf Rückzahlung der (ggf. durch Verluste geminderten) Vermögenseinlage beschränkt.
bb) Stille Gesellschaft mit Geschäftsführungsbeteiligung des stillen Gesellschafters
Rz. 33
Wie bereits der Name "stille Gesellschaft" andeutet, tritt die stille Gesellschaft ggü. Dritten selbst nicht in Erscheinung. Allein der Geschäftsinhaber tritt nach außen auf, allerdings nicht als Vertreter der stillen Gesellschaft oder des stillen Gesellschafters, sondern in eigenem Namen als Inhaber des Handelsgeschäfts. Dies gilt auch für die stille Gesellschaft mit Geschäftsführungsbeteiligung. Zur Vertretung nach außen ist auch dort nur der Geschäftsinhaber berechtigt. Im Innenverhältnis, d.h. in der Innengesellschaft, kann der stille Gesellschafter aber an der Geschäftsführung beteiligt werden.
Beispiele
Beteiligung durch Zustimmungs- oder Widerspruchsrechte oder sogar durch unmittelbare Entscheidungs- oder Geschäftsführungsbefugnis.
Solche Geschäftsführungsrechte sind allerdings im Ergebnis nur schuldrechtliche Ansprüche, die keine Mitgliedschaftsrechte im Handelsgeschäft des Geschäftsinhabers vermitteln. I.Ü. kann der stille Gesellschafter – soweit nach den allgemeinen Vorschriften zulässig – auch an der Geschäftsführung und Vertretung des Handelsgeschäfts beteiligt werden, bspw. als Prokurist oder Geschäftsführer. Von seiner Stellung als stiller Gesellschafter ist eine solche Beteiligung aber völlig unabhängig.