Dr. Tobias Eberl, Dr. Maximilian Haag
Rz. 511
Der Kern der Mitgliedschaft des Gesellschafters besteht darin, Einfluss auf die Gesellschaft nehmen zu können (Grundsatz der Selbstbestimmung der Gesellschafter). Dies wird vorrangig mit dem Stimmrecht realisiert. Der Gesellschafter kann daher sein Stimmrecht nicht gesondert übertragen oder abspalten (sog. Abspaltungsverbot). Die Zulässigkeit von Stimmbindungsverträgen zwischen Gesellschaftern ist hingegen inzwischen allgemein anerkannt. Die Freiheit des Gesellschafters wird von derartigen Abreden nicht berührt, da gerade die Möglichkeit für ihn besteht, selbst zu entscheiden, welchen Bindungen er sich unterwirft und welchen Einflüssen er bei der Entscheidung nachgibt.
Allerdings müssen die Grenzen derartiger Stimmrechtsbindungsvereinbarungen beachtet werden. Es kommen neben allgemeinen (§§ 134, 138 BGB) auch spezifische Grenzen aus dem GmbHG und dem AktG in Betracht.
aa) Allgemeine Grenzen
Rz. 512
Allgemeine Grenzen können sich aus dem BGB ergeben. So kann eine Stimmrechtsbindungsabrede im Einzelfall gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) oder die guten Sitten (§ 138 BGB) verstoßen. Dem Schrifttum zufolge ist ein Verstoß gegen die guten Sitten bei Knebelung der Gesellschaft oder der Poolmitglieder anzunehmen. Die Rspr. setzt indes hohe Maßstäbe für die Annahme einer Knebelung an.
Beispiel
So soll keine Sittenwidrigkeit vorliegen, wenn eine auf 10 Jahre angelegte Stimmrechtsbindung (mit Hinterlegung der Aktien bei einem Treuhänder) vereinbart worden ist.
Rz. 513
Auch entgeltliche Stimmrechtsbindungen können gegen § 138 BGB verstoßen. Im Gegensatz zum Recht der GmbH enthält das AktG in § 405 Abs. 3 Nr. 6 AktG eine Bestimmung, nach der der sog. Stimmenkauf ordnungswidrig und mithin nach § 134 BGB verboten ist.
Rz. 514
Für das Aktienrecht ist außerdem gesetzlich die Nichtigkeit von Verträgen festgelegt, durch die sich ein Aktionär verpflichtet, sein Stimmrecht nach Weisung der Gesellschaft bzw. ihrer Organe auszuüben (§ 136 Abs. 2 AktG). Ist das poolgebundene Organmitglied auch selbst Aktionär, dürfte § 136 Abs. 2 AktG allerdings nicht verletzt sein. Nicht endgültig geklärt ist, ob § 136 Abs. 2 AktG analog auch für Gesellschafter einer GmbH gilt.
Rz. 515
Ebenfalls nichtig sind Vereinbarungen, die zu einem nichtigen oder anfechtbaren Beschluss führen würden. Gleiches gilt, wenn der Gesellschafter aufgrund seiner Treuepflicht zu einem anderen Abstimmungsverhalten verpflichtet ist oder wenn die Stimmrechtsbindung zur Schädigung der Gesellschaft führen würde.
Rz. 516
Nicht unzulässig sind demgegenüber vertragliche Verpflichtungen eines Kapitalgesellschafters, nach Weisungen eines Mitgesellschafters oder auch eines evtl. nur geringfügig an der Gesellschaft beteiligten Konsortialführers abzustimmen.
bb) Mehrheitsklauseln
Rz. 517
Lange umstritten war die Frage, ob die Abstimmung über das Stimmverhalten bei Beschlüssen, die nach der Satzung der Hauptgesellschaft einer qualifizierten Mehrheit bedürfen, ebenfalls einer qualifizierten Mehrheit auf Poolebene bedarf. Der BGH hat dies verneint. Danach bindet ein auf Poolebene mit einfacher Mehrheit gefasster Beschluss die Poolbeteiligten im Grundsatz auch dann, wenn für die Beschlussfassung auf Ebene der Hauptgesellschaft eine qualifizierte Mehrheit vorgeschrieben ist. Eine entsprechende Mehrheitsklausel im Poolvertrag ist demnach nicht unwirksam.
Ob ein auf der Grundlage dieser Mehrheitsklausel getroffener Beschluss der Poolversammlung im Einzelfall wirksam ist, sei jedoch stets auf einer zweiten Stufe unter dem Aspekt einer etwaigen Verletzung der gesellschafterlichen Treuepflicht zu prüfen. Eine treuepflichtwidrige Ausübung der Mehrheitsmacht liege regelmäßig bei Maßnahmen vor, die "Grundlagengeschäfte" betreffen oder in den "Kernbereich" der Mitgliedschaftsrechte bzw. in unentziehbare Rechte der Minderheit eingreifen. In sonstigen Fällen habe die Minderheit den Nachweis einer treuepflichtwidrigen Mehrheitsentscheidung zu führen.