Rz. 75

Der stille Gesellschafter muss keine besonderen persönlichen Voraussetzungen erfüllen. Stiller Gesellschafter kann deshalb jeder sein, der nach geltendem Recht Träger von Rechten und Pflichten sein kann, d.h. jede natürliche oder juristische Person, Handelsgesellschaft, Partnerschaftsgesellschaft, ebenso wie eine GbR, Erbengemeinschaft oder ein nicht rechtsfähiger Verein.[90] Der stille Gesellschafter muss nicht selbst die Kaufmannseigenschaft besitzen und erwirbt diese Eigenschaft auch durch seine stille Beteiligung nicht, da das Handelsgewerbe nach außen hin nur durch den Geschäftsinhaber betrieben wird.[91] Auch ein Geschäftsunfähiger oder beschränkt Geschäftsfähiger kann stiller Gesellschafter sein, Besonderheiten gelten aber bei den Erfordernissen für einen wirksamen Abschluss des Gesellschaftsvertrages (ausführlich dazu unten Rdn 79 ff.).

 

Rz. 76

Ist eine Handelsgesellschaft oder sonstige rechtsfähige Personenvereinigung stiller Gesellschafter, sind nicht zugleich auch deren einzelne Gesellschafter stille Beteiligte. Ein Gesellschafterwechsel auf der Ebene der Handelsgesellschaft wirkt sich auf die stille Gesellschaft regelmäßig nicht aus. In der Praxis ist deshalb darauf zu achten, wer im Einzelfall stiller Gesellschafter ist oder werden soll.[92] § 230 HGB geht seinem Wortlaut nach lediglich von einer aus zwei Mitgliedern bestehenden stillen Gesellschaft aus, dem Geschäftsinhaber und dem stillen Gesellschafter. Beteiligen sich mehrere stille Gesellschafter an einem Handelsgeschäft, liegen daher grds. auch mehrere eigenständige stille Gesellschaften vor.[93]

 

Rz. 77

Nach mittlerweile wohl herrschender Auffassung ist dies jedoch nicht zwingend. Gem. dem Grundsatz der Vertragsfreiheit können auch zwei oder mehr stille Gesellschafter hinsichtlich eines Handelsgeschäfts untereinander und zusammen mit dem Geschäftsinhaber ein einheitliches Rechtsverhältnis bilden (mehrgliedrige stille Gesellschaft).[94] Entscheidend für die Abgrenzung ist der durch Vertragsauslegung zu ermittelnde Parteiwille. Mit der Anerkennung der mehrgliedrigen stillen Gesellschaft war auch der stillen Gesellschaft in Form einer Publikumsgesellschaft der Weg geebnet, die für eine Vielzahl oder sogar unbegrenzte Zahl von stillen Gesellschaftern konstruiert ist.

 

Hinweis

In einer mehrgliedrigen stillen Gesellschaft kann grds. jeder stille Gesellschafter seine gesetzlichen und vertraglichen Rechte für sich allein ausüben. Um unzumutbare Belastungen für den Geschäftsinhaber zu vermeiden, werden in der Praxis häufig Regelungen in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen, nach denen mehrere stille Gesellschafter (bestimmte) Rechte nur gemeinsam aufgrund gemeinschaftlicher Beschlussfassung ausüben können.

 

Rz. 78

Abzugrenzen von der mehrgliedrigen stillen Gesellschaft ist der Fall, dass sich mehrere Personen in einer GbR zusammenschließen, die dann anstelle ihrer einzelnen Gesellschafter ihrerseits stille Gesellschafterin wird.[95] In diesem Fall liegt nur eine zweigliedrige stille Gesellschaft zwischen dem Geschäftsinhaber und der GbR als stille Gesellschafterin vor. Scheidet in diesem Fall ein Gesellschafter aus der GbR aus, berührt das den Bestand der stillen Gesellschaft nicht.[96]

[90] Schlegelberger/Schmidt, HGB, § 230 Rn 30; Heymann/Horn, HGB, § 230 Rn 7; Hopt/Roth, HGB § 230 Rn 6; MüKo-HGB/K. Schmidt, § 230 Rn 34; RGZ 126, 390.
[91] Heymann/Horn, HGB, § 230 Rn 7.
[92] Ausführlich Blaurock, Handbuch der stillen Gesellschaft, Rn 6.40 f.
[93] Vgl. RGZ 25, 41/45; Schmidt, DB 1976, 1705.
[94] BGH, NJW 1972, 338; BGH, WM 1987, 1193; OLG Düsseldorf, WM 1985, 872; Hopt/Roth, HGB, § 230 Rn 7; Heymann/Horn, HGB, § 230 Rn 8, 60 ff.; Blaurock, NJW 1972, 1119 f.
[95] BGHZ 125, 77; BGHZ 127, 179; Hopt/Roth, HGB, § 230 Rn 7.
[96] Vgl. Schmidt, DB 1976, 1705 f.; Blaurock, NJW 1972, 1119.

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