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Restriktiver mit der Annahme eines lebzeitigen Eigeninteresses ist die Rechtsprechung, wenn ein bindend bedachter Vermächtnisnehmer betroffen ist (§ 2288 BGB), weil hier sogar entgeltliche Veräußerungen schädlich sind. Hier nimmt der BGH eine Beeinträchtigungsabsicht bereits dann an, wenn der Erblasser den vermächtnisweise zugewandten Vermögensgegenstand in dem Bewusstsein veräußert, dass damit dem Vermächtnis der Boden entzogen wird und dass die Gegenleistung für den Vermächtnisnehmer keinen Ersatz darstellt. Ein lebzeitiges Eigeninteresse wird nur bejaht, wenn sich das Interesse des Erblassers gerade auf die Veräußerung des Vermächtnisgegenstandes richtete und der erstrebte Zweck nicht auch durch andere wirtschaftliche Maßnahmen zu erreichen gewesen wäre.[94] Veräußert beispielsweise der sehr vermögende Erblasser das bindend vermächtnisweise zugewandte Grundstück und auch den erheblichen weiteren Grundbesitz, um sich der Mühen der Hausverwaltung zu entledigen und verschenkt er anschließend den Erlös, so greift § 2288 BGB zugunsten des Vermächtnisnehmers ein.[95] In einem anderen Fall hat der BGH ebenfalls § 2288 BGB bejaht, in dem der Erblasser unter Missachtung eines seiner zweiten Ehefrau erbvertraglich zugewandten Nießbrauchsvermächtnisses an allen Nachlassgegenständen Grundbesitz auf ein Kind aus erster Ehe übertrug, welches sich im Gegenzug verpflichtete, seine geistig bzw. seelisch behinderten Geschwister zu versorgen.[96]

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