Dr. iur. Pierre Plottek, Dr. Christopher Riedel
Rz. 19
Wird eine Personengesellschaft nach dem Tod des Erblassers nicht mit seinen Erben fortgesetzt, also in den Fällen der Auflösung der Gesellschaft oder auch bei Fortsetzung unter den verbleibenden Gesellschaftern (sog. Fortsetzungsklausel), fällt in den Nachlass des ausscheidenden Gesellschafters lediglich ein Abfindungsanspruch nach § 738 Abs. 1 S. 2 BGB. Dieser ist auch in die Berechnung des ordentlichen Pflichtteils einzubeziehen. Ist die Abfindung durch entsprechende gesellschaftsvertragliche Vereinbarungen der Höhe nach beschränkt, muss dies grundsätzlich auch i.R.d. Pflichtteilsberechnung – sowohl beim ordentlichen Pflichtteil als auch beim Pflichtteilsergänzungsanspruch – berücksichtigt werden. Mithin schlagen gesellschaftsrechtlich zulässige Abfindungsbeschränkungen oder gar ein vollständiger Abfindungsausschluss auch auf die Ansprüche der Pflichtteilsberechtigten durch. Beim ordentlichen Pflichtteilsanspruch i.S.d. § 2303 BGB führen sie im Ergebnis dazu, dass weder der Gesellschaftsanteil noch ein an dessen Stelle tretender Abfindungsanspruch in die Anspruchsberechnung einzubeziehen ist. Einschränkungen können insoweit bestenfalls dann gelten, wenn der Abfindungsausschluss für alle Gesellschafter nicht gleichermaßen gilt bzw. Nur einzelne Beteiligten unangemessen benachteiligt.
Rz. 20
Die Frage, ob ein gegenseitiger Abfindungsausschluss als Schenkung an die Mitgesellschafter angesehen und somit Pflichtteilsergänzungsansprüche gem. § 2325 Abs. 1 BGB auslösen kann, ist nicht vollständig geklärt.
Eine Schenkung würde gem. § 516 BGB eine objektive Bereicherung des bzw. der Beschenkten (hier also der übrigen Gesellschafter) voraussetzen. Weiter müsste zwischen den Beteiligten Einigkeit bestehen, dass die Zuwendung unentgeltlich erfolgt. Diese Voraussetzungen sind im Fall der Vereinbarung eines gegenseitigen Abfindungsausschlusses aber nicht erfüllt.
Bereits die Frage, was genau den Zuwendungsgegenstand bildet, ist nicht eindeutig zu beantworten. Vertreten wird insoweit zum einen, dass der Abfindungsverzicht selbst ein Vermögensopfer i.S.d. Schenkungsbegriffs darstelle. Andere sind der Auffassung, der Gesellschaftsanteil selbst sei Gegenstand der Zuwendung.
Rz. 21
Selbst wenn man einer dieser beiden Sichtweisen folgen wollte, würde eine Schenkung im Ergebnis aber gewiss an der mangelnden Unentgeltlichkeit scheitern. Denn die Vereinbarung eines alle Gesellschafter gleichermaßen treffenden allseitigen Abfindungsausschlusses oder einer Abfindungsbeschränkung erfolgt regelmäßig nicht in Bereicherungsabsicht, sondern vielmehr um der Verwirklichung des Gesellschaftszwecks willen (societas causa) und damit gerade nicht unentgeltlich. Auch der BGH geht davon aus, dass keine Schenkung vorliege. Seiner Ansicht nach sei vielmehr ein bereits unter Lebenden vollzogener entgeltlichen Vertrag anzunehmen, der durch den Wagnischarakter der Vereinbarung gekennzeichnet sei (aleatorisches Geschäft). Der Chance, seine eigene Beteiligung im Wege eines Anwachsungserwerbs (ohne gleichwertige Abfindungsverpflichtung) auszubauen, stehe das Risiko gegenüber, den eigenen Anteil im Todesfall entschädigungslos zu verlieren.
Rz. 22
Etwas anderes gilt nur, wenn der Ausschluss des Abfindungsanspruchs nur zu Lasten einzelner Gesellschafter vereinbart wird. Dann ist nach h.M. von einer unentgeltlichen Zuwendung auszugehen.
Ähnlich stellt sich die Situation laut BGH auch dar, wenn ein grobes Missverhältnis der die einzelnen Gesellschafter treffenden Risiken besteht, das zu einseitigen Vor- bzw. Nachteile führt, bspw. bei bestehen erheblicher Altersunterschiede.
Rz. 23
Soweit eine ergänzungspflichtige Schenkung anzunehmen ist, kann die Frist des § 2325 Abs. 3 BGB jedenfalls erst mit dem Tod des Gesellschafters beginnen. Denn erst ab diesem Zeitpunkt kann von einer Beeinträchtigung des Vermögens des Erblassers die Rede sein (Vermögensausgliederung).
Rz. 24
Die oben skizzierte Argumentation der Rechtsprechung ist alles andere als unumstritten. Eine wesentliche Sorge der Kritiker scheint darin zu bestehen, dass unter Zugrundelegung der Sichtweise des BGH gesellschaftsvertragliche Abfindungsbeschränkungen Gestaltungsmöglichkeiten eröffneten, mit deren Hilfe der gewünschte Nachfolger zum Nachteil der Pflichtteilsberechtigten begünstigt werden könne.
Diese Sorge ist aber – sogar nach der Rspr. – unbegründet. Denn dem Risiko der ungerechtfertigten Benachteiligung der Pflichtteilsberechtigten trägt auch die von der h.M. vertretene Sichtweise bereits ausreichend Rechnung: Wie oben erwähnt, kommen bei ungleicher Verteilung von Chancen und Risiken auch nach Auffassung des BGH durchaus (wenigstens teilweise) unentgeltliche und damit ergänzungspflichtige Zuwendungen in Betracht.
Außerdem sollte bei alldem auch nicht übersehen werden, dass die Vereinbarung von Abfindungsregelungen in Gesellschaftsverträgen in der Regel dem Schutz der Gesellschaft bzw. des von dieser betriebenen Un...