Rz. 132
Der Rücktritt (siehe Rdn 135 ff.) des Käufers bezweckt, den Kaufvertrag unter Rückabwicklung der gegenseitig empfangenen Leistungen rückgängig zu machen. Bei der Minderung (siehe Rdn 199 ff.) soll der Kaufvertrag abgewickelt werden, jedoch der Kaufpreis dem Minderwert der Kaufsache angepasst werden. Die Erklärungen müssen gegenüber dem Vertragspartner abgegeben werden, auch wenn die AGB Nachbesserungsarbeiten in Drittbetrieben zulassen.[308]
Rz. 133
Beide Rechte sind als Gestaltungsrechte geregelt (§ 349 BGB für Rücktritt, § 441 Abs. 1 S. 1 BGB für die Minderung), so dass die Erklärungen mit Zugang (§ 130 BGB) wirksam werden und insbesondere nicht einseitig vom Käufer rückgängig gemacht werden können. Auch ein Wechsel von Minderung zu Rücktritt und umgekehrt ist unzulässig.[309] Ausnahmen sind gem. § 242 BGB denkbar, wenn der Verkäufer die Wirksamkeit des Rücktritts bestreitet.[310] Unwirksame Erklärungen haben keine gestaltende Wirkung.[311] Neben Rücktritt oder Minderung kann bei Vertretenmüssen i.S.d § 276 BGB auch Schadensersatz oder Aufwendungsersatz beansprucht werden (§§ 325, 437 Nr. 2, 3 BGB),[312] insb. auch Nutzungsausfall (vgl. Rdn 215). Eine – erfolglose – Anfechtung kann in einen Rücktritt umgedeutet werden (hierzu vgl. Rdn 297).
Rz. 134
Der Rücktritt kann i.d.R. auch dann erklärt werden, wenn die Kaufsache nicht zurückgewährt werden kann oder diese beschädigt oder verschlechtert wurde. In diesem Fall hat der Käufer dem Verkäufer Wertersatz zu leisten (§ 346 Abs. 2 BGB), falls keine Ausnahmen i.S.d. § 346 Abs. 2 und 3 vorliegen.
1. Rücktrittsvoraussetzungen
Rz. 135
Der Rücktritt hat folgende Voraussetzungen[313]
▪ | einen erheblichen Mangel (§ 323 Abs. 5 BGB) zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs (vgl. Rdn 7) und des Rücktritts,[314] |
▪ | die Setzung einer angemessenen Nachfrist zur Nacherfüllung und Fristablauf oder |
▪ | Unmöglichkeit (§ 275 BGB), Verweigerung (§ 281, § 323 Abs. 3 Nr. 1 BGB), Fehlschlagen oder |
▪ | Unzumutbarkeit (§§ 437 Nr. 2, 440 BGB) der Nacherfüllung; |
▪ | besondere Umstände, die den sofortigen Rücktritt rechtfertigen (§§ 437 Nr. 2, 281, Abs. 2 Alt. 2, 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB) oder |
▪ | ein zeitlich gebundenes Fixgeschäft (§ 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB); |
▪ | keine überwiegende Verantwortlichkeit des Käufers für den Rücktritts- bzw. Minderungsgrund und kein Annahmeverzug (§ 323 Abs. 6 BGB). |
Rz. 136
Praxistipp
Die Rücktrittserklärung durch einen Rechtsanwalt oder eine andere bevollmächtigte Person ist unwirksam, wenn eine schriftliche Vollmacht nicht beigefügt wird und der Erklärungsempfänger die Erklärung aus diesem Grund unverzüglich zurückweist (§ 174). Daher ist der Erklärung (per Einschreiben und Rückschein oder per Gerichtsvollzieher) stets eine Vollmacht im Original beizufügen.
a) Erhebliche Pflichtverletzung
Rz. 137
Der Rücktritt setzt gem. § 323 Abs. 5 S. 2 BGB voraus, dass die Pflichtverletzung nicht unerheblich ist. Dies erfordert eine umfassende Interessenabwägung.[315] Die Unerheblichkeit muss der Verkäufer substantiiert darlegen und beweisen.[316] Abzustellen ist auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung,[317] die provisorische nachträgliche Mängelbeseitigung durch einen Sachverständigen ist unerheblich. Ein zum Zeitpunkt. des Rücktritts erheblicher Mangel, dessen Ursache und Beseitigungskosten unklar sind, wird also nicht dadurch zu einem geringfügigen Mangel, dass sich die Beseitigungskosten nachträglich als geringfügig herausstellen.[318] Ist der Mangel zum Zeitpunkt des Rücktritts allerdings nur deshalb unerheblich, weil eine vorausgegangene Nachbesserung teilweise – aber eben nicht ganz – gelungen ist, ist der Rücktritt zulässig, wenn der Mangel vor dem Nachbesserungsversuch erheblich war.[319]
Rz. 138
Zu berücksichtigen sind der für die Mängelbeseitigung erforderliche Aufwand, das Maß der funktionellen und ästhetischen Beeinträchtigung, die Dauer des Nutzungsausfalls für den Käufer,[320] nach richtiger Auffassung auch das Maß des Fehlverhaltens/Verschuldens des Verkäufers,[321] wie z.B. arglistiges Verhalten (vgl. § 13 Rdn 14 ff.), denn § 323 Abs. 5 S. 2 BGB stellt auf das Maß der Pflichtverletzung ab,[322] nicht nur auf Art und Schwere des Mangels.[323] Auf das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigung kommt es nur dann an, wenn der Mangel nicht oder nur mit hohen Kosten behebbar oder die Mangelursache im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung ungewiss ist.[324] Bezugspunkt für die Erheblichkeit des Mangels kann auch die mangelhafte Qualität der Nacherfüllung sein.[325] Bei geringer Abweichung der Qualität der Nachbesserung vom eigentlich geschuldeten Erfolg entfällt aber nicht die ursprünglich gegebene erhebliche Pflichtverletzung.[326]
Rz. 139
Bei einem behebbaren Mangel ist von einer Unerhe...
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