Eberhard Rott, Dr. Michael Stephan Kornau
Rz. 45
Es ist in jedem Einzelfall sorgfältig zu prüfen, welche Potenziale es zur Erzielung eines höheren Kaufpreises ggf. zu heben gibt, jedenfalls aber für den Käufer transparent zu machen sind. Im Zentrum der Überlegungen stehen vor allem das baurechtliche Potenzial, das gestalterische Potenzial, das Lagepotenzial und das Renditepotenzial.
1. Baurechtliches Potenzial
Rz. 46
Besonders bedeutsam ist die Prüfung des baurechtlichen Potenzials in allen seinen Ausprägungen. Zum einen kann es sein, dass die Immobilie nach dem für sie maßgeblichen örtlichen Baurecht Ausbau- oder Erweiterungspotenziale besitzt. Zum anderen ist es denkbar, dass die Immobilie umgenutzt werden kann, z.B. von einer gewerblichen Nutzung hin zu einer gewinnbringenderen Wohnnutzung. Darüber hinaus sind Potenziale des Grundstücks selbst zu prüfen. Es kann z.B. sein, dass sich das Bauplanungsrecht nach der Errichtung des Gebäudes maßgeblich zugunsten der Verkäufer geändert hat. Dies ist z.B. der Fall, wenn nachträglich ein Bebauungsplan erlassen wird, der eine umfangreichere bauliche Ausnutzung des Grundstücks als bisher ermöglicht. Aber auch wenn es keine explizite Änderung gegeben hat, kann es sein, dass das Grundstück baulich nicht maximal ausgelastet wurde. Es könnte dann für Projektentwickler interessant sein, die z.B. ein aufstehendes Einfamilienhaus abreißen, um ein Mehrfamilienhaus darauf zu errichten. Bei großen Grundstücken bietet sich unter Umständen eine Parzellierung und ein Abverkauf einzelner Grundstücksteile an.
2. Gestalterisches Potenzial
Rz. 47
Die Ausnutzung von gestalterischem Potenzial bietet sich vor allem bei Immobilien an, die an Eigennutzer veräußert werden sollen. Nicht selten kommt es vor, dass der Erblasser die vormals selbstgenutzte Immobilie nicht in einem verkaufsbereiten Zustand hinterlassen hat. Häufig entspricht der Einrichtungsstil und die Möblierung nicht dem Geschmack heutiger Kaufinteressenten. Regelmäßig sind die Immobilien auch nicht frisch renoviert, sondern weisen einen gewissen Renovierungs- und teils auch Sanierungsstau auf. Kaufinteressenten fühlen sich dann bereits optisch nicht angesprochen und wissen meist den Renovierungsaufwand auch nicht realistisch einzuschätzen. Beides schreckt Kaufinteressenten ab und reduziert ihre Bereitschaft, einen Spitzenkaufpreis zu zahlen.
Rz. 48
Immobilien, die in den 1950er bis 1970er Jahren errichtet wurden und heute vererbt werden, lagen zum Zeitpunkt ihrer Errichtung häufig in Neubaugebieten und nicht zwingend in unmittelbarer Zentrumsnähe. Aufgrund des teils massiven Wachstums der Metropolen befinden sie sich heute zum Teil in sehr guten, innerstädtischen Lagen. Solche Immobilien sind aufgrund ihrer Lage bereits stark nachgefragt. Ist die Substanz der jeweiligen Immobilie gut und sind größere Sanierungsmaßnahmen nicht zwingend erforderlich, kann es Sinn machen, die notwendigen Renovierungsmaßnahmen noch vor der Veräußerung durchzuführen. Denn in vielen Fällen übersteigt der dadurch erzielbare Mehrerlös die erforderliche Investition um ein Vielfaches.
Rz. 49
Die Entscheidung, eine bestimmte Immobilie zur Selbstnutzung zu erwerben, ist in der Regel eine höchst emotionale Entscheidung. Je mehr positive Emotionen beim Kaufinteressenten geweckt werden, desto eher wird er bereit sein, einen sehr hohen Kaufpreis für die Immobilie zu bezahlen. Wenn er eine frisch renovierte Immobilie betritt, die er sofort ohne weitere Renovierungsmaßnahmen beziehen könnte, lässt er sich für einen Erwerb zum Spitzenpreis wesentlich leichter begeistern als bei einer Immobilie, die auf den ersten Blick heruntergekommen wirkt.
Rz. 50
Dieser positive Effekt kann über eine reine Renovierung hinaus durch ein sogenanntes Home Staging spürbar verstärkt werden. Dabei handelt es sich um eine zielgruppengerechte Neumöblierung des renovierten Objekts. Dazu wird die Immobilie für den Vermarktungszeitraum mit attraktiven, die Käuferzielgruppe ansprechenden Möbeln und Accessoires ausgestattet. Neben einer passenden Farbauswahl und einem harmonischen Gesamtkonzept wird hierbei auch ein besonderes Augenmerk auf die Beleuchtung gelegt. Ein Kaufinteressent kann sich dadurch sehr gut vorstellen, wie es wäre, die Immobilie zu bewohnen. In den meisten Fällen führt dies zu einer spürbaren Steigerung des Kaufinteresses. Eine attraktive Aufbereitung motiviert in der Regel deutlich mehr Kaufinteressenten, sich an einem Bieterverfahren zu beteiligen und sich dort durch Abgabe von hohen, die Konkurrenten überbietenden Kaufpreisangeboten zu engagieren.
3. Lagepotenzial
Rz. 51
Neben dem baurechtlichen und gestalterischen Potenzial spielt das Lagepotenzial eine große Rolle. Welche Potenziale können sich hier konkret ergeben? Eine gute Lage setzt sich aus verschiedenen Elementen zusammen. Hervorzuheben sind:
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die konkrete Umgebungsbebauung, |
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die Immissionsbelastung der Immobilie, |
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die Nahversorgung, die Anbindung an die Infrastruktur und die Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr. |
Alle Umstände, die eines oder mehrere dieser Elemente positiv beeinflussen, können sich direkt werte...