Dr. iur. Wolfram Viefhues
Rz. 67
Das Gesetz geht § 137 FamFG davon aus, dass eine Reihe von weiteren Fragen im Verbund verhandelt und im Zusammenhang mit der Scheidung entschieden werden.
I. Grundsätzliches zum Verbundverfahren
Rz. 68
Das Scheidungsverbundverfahren soll den Ehegatten ermöglichen, alle im Zusammenhang mit der Scheidung ihrer Ehe anstehenden familienrechtlichen Fragestellungen in einem einzigen Verfahren zu klären. Es soll den schutzbedürftigen Ehegatten davor schützen, geschieden zu werden, ohne dass z.B. die Fragen des nachehelichen Unterhalts, des Güterrechts etc. geregelt wären.
Rz. 69
Praxistipp:
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Werden Folgesachen zulässigerweise in den Verbund einbezogen, kann die Ehe erst dann geschieden werden, wenn auch die Entscheidung über die Folgesachen ergehen kann. |
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Im Fall der Scheidung ist über sämtliche im Verbund stehenden Familiensachen durch einheitlichen Beschluss zu entscheiden. |
II. Familiensachen im Verbund
Rz. 70
§ 137 Abs. 2 FamFG regelt, welche Familiensachen in den Verbund einbezogen werden können. Dies sind:
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Versorgungsausgleichssachen, |
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Unterhalt der gemeinschaftlichen minderjährigen Kinder mit Ausnahme des vereinfachten Unterhaltsverfahrens, |
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die durch die Ehe begründete Unterhaltspflicht, |
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güterrechtliche Ansprüche, |
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Ehewohnung, |
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Haushaltssachen. |
Rz. 71
Darüber hinaus muss die Entscheidung nach § 137 Abs. 2 S. 1 FamFG für den Fall der Scheidung der Ehe zu treffen sein. Daraus ergibt sich, dass
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nur nacheheliche Ehegattenunterhaltsansprüche einbezogen werden können, |
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reine Auskunftsansprüche nicht im Verbund geltend gemacht werden können, sondern insoweit zumindest ein Stufenantrag erforderlich ist. |
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Auch in Bezug auf Ehewohnungs- und Haushaltssachen kommt eine Einbeziehung nur hinsichtlich der Regelungen für die Zeit nach Rechtskraft der Ehescheidung in Betracht, mithin der Regelungsbereich der §§ 1568a und 1568b BGB. |
Rz. 72
Es besteht kein Zwang zum Verbundverfahren. Die Geltendmachung einer Scheidungsfolgesache außerhalb des Verbundverfahrens ist nicht mutwillig. Es unterliegt der freien Wahl der Eheleute, ob sie aus taktischen Gründen die entsprechenden Ansprüche innerhalb des Verbundes oder isoliert in gesonderten Verfahren geltend machen, auch wenn im Verbundverfahren geringere Kosten entstehen als bei isolierter Geltendmachung in mehreren Verfahren. Auch der Abschluss eines Vergleiches im Scheidungsverbundverfahren über eine noch nicht anhängige Folgesache ist nicht mutwillig.
III. Antragsverfahren im Verbund
Rz. 73
Verfahren, die den Unterhalt der gemeinschaftlichen minderjährigen Kinder, den Ehegattenunterhalt nach der Scheidung, die güterrechtlichen Ansprüche sowie Ehewohnungs- und Haushaltssachen betreffen, sind Antragsverfahren. Sie werden nur in den Scheidungsverbund einbezogen, wenn einer der Ehegatten dies beantragt. Ist eine Folgesache zulässigerweise im Verbund anhängig gemacht worden, können die Ehegatten hierüber nicht disponieren. Der Antrag, eine Folgesache entgegen §§ 137 Abs. 1, 142 Abs. 1 Satz 1 FamFG in einem isolierten Verfahren zu führen, ist daher für die Entstehung des Verbunds unbeachtlich.
Rz. 74
Praxistipp:
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Da eine Abtrennung einer Folgesache ist i.d.R. nur unter strengen Bedingungen möglich ist (siehe Rdn 86), sollte es gut überlegt sein, ob ein Verfahren als Verbundsache anhängig gemacht wird. |
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Die Erfahrung lehrt, dass auch der Ehegatte, der durch einen im Verbund gestellten Antrag das Verfahren verzögert und so gegen den anderen Ehegatten Druck ausüben will, später ein Interesse an einem schnellen Abschluss des Verfahrens bekommen kann und dann selbst unter der von ihm eingeleiteten Verzögerung des Verfahrens leiden muss. |
IV. 2-Wochen-Frist des § 137 Abs. 2 Satz 1 FamFG
Rz. 75
Ein Folgeantrag kann nur in den Verbund aufgenommen werden, wenn er spätestens zwei Wochen vor der anstehenden mündlichen Verhandlung anhängig gemacht worden ist. Hierbei reicht es auch aus, wenn ein entsprechender VKH Antrag vor Fristablauf eingereicht wird.
OLG Stuttgart, Beschl v. 29.7.2020 – 15 UF 72/20
Zitat
Eine Folgesache kann auch dann noch rechtzeitig innerhalb der Frist von drei Wochen ("zwei plus eine Woche") anhängig gemacht werden, sofern zwar zwischen der erstmaligen Terminierung der Scheidungssache und der wegen mehrerer Terminsverlegungen tatsächlich zeitlich später stattfindenden mündlichen Verhandlung ein ausreichender Zeitraum lag, allerdings keine der jeweiligen Terminsbestimmungs- bzw. Terminsverlegungsverfügungen einmal die zwingend erforderliche formell ordnungsgemäße Terminsladung beinhaltete.
OLG Köln, Beschl. V. 29.5.2020 – II-10 UF 10/20
Zitat
Die in § 137 Abs. 2 FamFG bestimmte Frist zur Geltendmachung von Folgesachen berechnet sich auch bei mehrfacher Terminsverlegung nicht von dem zunächst gerichtlich bestimmten, sondern (nur) von dem tatsächlich durchgeführten mündlichen Verhandlungstermin aus.
Rz. 76
BGH, Beschl. v. 5.6.2013 – XII ZB 427/11
Zitat
Das Familiengericht hat den Termin in einer Scheidungssache so zu besti...