Rz. 41
Der Fall, dass der Auftraggeber/Bauherr zur Zahlung des Werklohns nur Zug um Zug gegen Beseitigung von gerichtlich festgestellten Mängeln verpflichtet wird, kommt in der Praxis sehr häufig vor. Damit wird der – bereits oben erwähnte – Fall von §§ 756, 765 ZPO (besondere Vollstreckungsvoraussetzungen) angesprochen. Hängt die Vollstreckung von einer Zug um Zug zu bewirkenden Leistung des Gläubigers an den Schuldner ab, darf der Gerichtsvollzieher die Vollstreckung nicht beginnen, bevor er dem Schuldner die diesem gebührende Leistung in einer den Annahmeverzug begründenden Weise angeboten hat. Das ist dann entbehrlich, wenn der Beweis, dass der Schuldner befriedigt ist oder sich in Annahmeverzug befindet, durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden geführt wird (§ 756 Abs. 1 ZPO). Die sich in diesem Zusammenhang ergebende Problematik ist dem Grunde nach im materiellen Recht verankert. Der Schuldner hat einen Anspruch auf vertragsgemäße Leistung. Eine Zahlung muss er erst nach Erbringung einer solchen durch den Bauunternehmer leisten. Damit wird augenscheinlich, dass die einem "Zug-um-Zug-Titel" innewohnende Gleichzeitigkeit der gegenseitigen Leistungen (§§ 320, 273 BGB) im Falle der Werklohnzahlung gegen Beseitigung von Baumängeln nicht eingreifen kann. Der Bauunternehmer ist zur Vorleistung verpflichtet, wenn er seine Werklohnforderung vollstrecken will. Dadurch werden materielle Probleme und Fragen – wie diejenige, ob nunmehr eine mangelfreie Bauleistung vorliegt – in das Vollstreckungsverfahren verlagert. Diese vom BGH ausdrücklich gebilligte Verlagerung materiell-rechtlicher Probleme in das Vollstreckungsverfahren führt zu einer besonderen Belastung der Vollstreckungsorgane – namentlich des Gerichtsvollziehers. Dieser muss gleichsam als "Gutachter" auftreten und beurteilen, ob die Bauleistung mangelfrei ist oder nicht. Dabei liegt es auf der Hand, dass zwischen den Parteien große Meinungsverschiedenheiten über die Frage, ob die Gegenleistung in einer den Annahmeverzug begründenden Weise erbracht worden ist, entstehen können. Es stellt sich insbesondere die Frage, inwieweit es dem Gerichtsvollzieher zugemutet werden kann, dies zu überprüfen. Gerade die Beantwortung von technischen Mängelfragen erfordert ein vertieftes Wissen von technischen Normen und der derzeit herrschenden Auffassung unter den Fachleuten ("allgemein anerkannte Regeln der (Bau-)Technik"). Der Gerichtsvollzieher ist – jedenfalls im Regelfall – kein bautechnisch versierter Sachverständiger, dem eine solche Begutachtung leichtfallen würde. Auf die Frage der Prüfungspflicht bzw. -kompetenz des Gerichtsvollziehers wird unten noch kurz einzugehen sein. Es wird aber bereits hier deutlich, dass dies ein besonderes Problem der Vollstreckung von "Zug-um-Zug-Titeln" darstellt.
Rz. 42
Ausblick: Zukünftige Änderung von §§ 756, 765 ZPO?
Im Rahmen des Forderungssicherungsgesetzes ("FoSiG") war ursprünglich geplant, dieses Problem zu entschärfen: Nach den geplanten § 756 Abs. 1a ZPO und § 765 S. 2 ZPO sollte der Beweis, dass die Zug um Zug zu erbringende Nacherfüllungsleistung des Gläubigers (Bauunternehmers) ordnungsgemäß erbracht worden ist, durch die Bescheinigung eines Gutachters, auf den sich die Parteien schriftlich nach Entstehen der Streitigkeit verständigt haben (§ 756 Abs. 1a S. 2 Nr. 1 ZPO), oder eines öffentlich bestellten und vereidigten (öbuv) Sachverständigen (§ 756 Abs. 1a S. 2 Nr. 2 ZPO) geführt werden können. In diesen Fällen hätte der Gerichtsvollzieher als Vollstreckungsorgan keine Probleme mit der Feststellung der Ordnungsgemäßheit der erbrachten Gegenleistung des Gläubigers gehabt. Er hätte einfach auf die gutachterliche Bescheinigung zurückgreifen können. Diese wünschenswerten Änderungen in §§ 756 Abs. 1a; 765 S. 2 ZPO sind jedoch bei der Umsetzung des FoSiG vom Gesetzgeber mit dem Hinweis "auf Eis gelegt" worden, diese seien einer weiteren Prüfung vorbehalten. Da der Gesetzgeber bislang nicht weiter aktiv geworden ist, ist eine Änderung von §§ 756, 765 ZPO derzeit nicht mehr zu erwarten.