Rz. 8
Will der Erblasser einen bestimmten Bedachten gegenüber den übrigen Miterben wertmäßig besser stellen, dann kann er dies durch Anordnung eines Vorausvermächtnisses (§ 2150 BGB) erreichen. Unter einem Vorausvermächtnis versteht man ein Vermächtnis, das dem oder den Erben selbst zugewandt wird. Es handelt sich hierbei um ein Gestaltungsmittel, um einem Erben einen bestimmten Gegenstand zuzuwenden, ohne dass diesbezüglich eine Anrechnung auf seinen Erbteil – also ein Wertausgleich – erfolgt.
Rz. 9
Der Vermächtnisnehmer hat bereits vor der Nachlassteilung einen Anspruch auf Übertragung des vermachten Gegenstandes durch die übrigen Erben, ohne dafür eine Gegenleistung erbringen zu müssen. Es handelt sich um eine Nachlassverbindlichkeit gemäß § 1967 Abs. 2 BGB. Bei der Teilung des Restnachlasses erhält der Vermächtnisnehmer dann zusätzlich seinen ungekürzten Erbteil am Nachlass entsprechend seiner Teilungsquote.
Rz. 10
Bei der Anordnung eines Vorausvermächtnisses ist entsprechend den Ausführungen zur Ersatzerbenbestimmung immer auch die Frage des Ersatzvermächtnisnehmers zu klären (vgl. § 10 Rdn 51 ff.). Während die Teilungsanordnung die gleiche Wirkung gegenüber dem Ersatzerben entfaltet, muss dies für das Vorausvermächtnis nicht gelten. So kann es Fälle geben, in denen der Erblasser z.B. eines seiner eigenen Kinder bevorzugen möchte, für den Fall der Ersatzerbfolge durch die Enkel soll diese Bevorzugung jedoch nicht erfolgen.
Rz. 11
Muster 12.3: Vorausvermächtnis an den Erben
Muster 12.3: Vorausvermächtnis an den Erben
Ich, _________________________, geb. am _________________________ in _________________________, setze meine beiden Kinder _________________________, geb. am _________________________ in _________________________, derzeit wohnhaft in _________________________, und _________________________, geb. am _________________________ in _________________________, derzeit wohnhaft in _________________________, zu meinen Vollerben zu jeweils gleichen Teilen ein. Zu Ersatzerben bestimme ich die Abkömmlinge meiner Kinder nach gesetzlicher Regel, wiederum ersatzweise soll Anwachsung eintreten.
Mein Sohn _________________________ erhält darüber hinaus im Wege des Vorausvermächtnisses, also ohne Anrechnung auf seinen Erbteil, mein Wertpapierdepot Nr. _________________________ bei der _________________________ Bank in _________________________. Für den Fall, dass mein Sohn vor oder nach dem Erbfall wegfällt, wird entgegen jeder anderslautenden gesetzlichen oder richterlichen Vermutungs- und Auslegungsregel ein Ersatzvermächtnisnehmer nicht benannt. Das Vorausvermächtnis an meinen Sohn _________________________ entfällt auch dann, wenn er die Erbschaft ausschlägt.
Rz. 12
Das Vorausvermächtnis gewährt sowohl dem Allein- als auch dem Miterben eine Reihe von Vorteilen. Zum einen unterliegt das Vorausvermächtnis grundsätzlich nicht der Vor- und Nacherbenbindung, § 2110 Abs. 2 BGB. Darüber hinaus bleibt das Vorausvermächtnis beim Erbschaftskauf unberücksichtigt (§ 2373 BGB). Letztlich ist das Vorausvermächtnis für den Erben vorteilhaft, wenn eine angeordnete Testamentsvollstreckung nicht das Vorausvermächtnis erfasst. Wie bereits erwähnt, kann der Vermächtnisnehmer die Erfüllung seines Vermächtnisses schon vor der Erbauseinandersetzung verlangen, wozu ihm nach h.M. auch die Gesamthandsklage (§ 2059 Abs. 2 BGB, § 747 ZPO) zur Verfügung steht.