Ansgar Beckervordersandfort, Dr. Christopher Riedel
Rz. 61
Da § 181 BGB grds. auch auf Gesellschafterbeschlüsse und die entsprechende Stimmrechtsabgabe anwendbar ist, können die Eltern als gesetzliche Vertreter nach §§ 1629 Abs. 2, 1795, 181 BGB von der Vertretung des Minderjährigen ausgeschlossen sein. Dies gilt insbesondere für Grundlagenbeschlüsse (z.B. Änderungen des Gesellschaftsvertrages, Umstrukturierungen, Auflösung der Gesellschaft), welche die Grundlagen des Gesellschaftsverhältnisses und das Verhältnis der Gesellschafter untereinander betreffen, sodass sich die betroffenen Gesellschafter als Geschäftspartner gegenüberstehen. Bei gewöhnlichen Gesellschafterbeschlüssen (Beschlüsse, welche die Geschäftsführung oder die laufenden gemeinsamen Gesellschaftsangelegenheiten betreffen) steht hingegen die verbandsinterne Willensbildung nach § 705 BGB im Vordergrund, sodass es allein auf die Verfolgung des gemeinsamen Gesellschaftszwecks ankommt, weshalb § 181 BGB hier keine Anwendung findet. Die Rechtsprechung und die damit einhergehende Meinung der Literatur will mit dieser Differenzierung ein Gleichgewicht zwischen dem Schutzbedürfnis des Minderjährigen und dem Interesse der Handlungsfähigkeit der Gesellschaft herstellen.
Rz. 62
Die Anwendbarkeit des § 181 BGB wird darüber hinaus jedoch stets bejaht, wenn es um Beschlüsse geht, die die Rechtsverhältnisse der gesetzlichen Vertreter selbst betreffen. Hier liegt ein klassischer Fall des Selbstkontrahierungsverbotes des § 181 BGB vor, welches ein erhöhtes Schutzbedürfnis zur Vermeidung von Interessenskonflikten erfordert. Für die Beschlussfassung in der Hauptversammlung einer AG soll der § 181 BGB im Hinblick auf den § 135 AktG hingegen unanwendbar sein, sodass hier der Minderjährige stets durch seinen gesetzlichen Vertreter vertreten werden kann. Die Anwendung des § 181 BGB wird durch die gesellschaftsrechtlichen Stimmrechtsausschlüsse nicht ausgeschlossen oder überlagert. Es besteht insoweit kein Konkurrenzverhältnis, da sich die Stimmverbote auf Interessenkonflikte zwischen dem Gesellschaftsinteresse und dem Gesellschafter beziehen, während der § 181 BGB allein auf das Verhältnis des Vertretenen und des Vertreters und das damit verbundene Schutzbedürfnis abstellt.
Rz. 63
Die Genehmigungsbedürftigkeit von Gesellschafterbeschlüssen richtet sich nach §§ 1643 Abs. 1, 1821, 1822 BGB. Eine solche ist aber mangels entsprechenden Tatbestands bei Gesellschafterbeschlüssen und entsprechender Stimmabgabe in der Regel nicht erforderlich.
Rz. 64
Für Beschlüsse, welche die Grundlagen des Gesellschaftsverhältnisses berühren, findet der § 181 BGB Anwendung, da solche stets das Verhältnis der Gesellschafter untereinander sowie die Struktur der Gesellschaft betreffen, sodass potenziell ein Ergänzungspfleger zu bestellen ist. Änderungen des Gesellschaftsvertrages bzw. der Satzung unterliegen daher grds. dem Selbstkontrahierungsverbot, sodass der Minderjährige durch einen Ergänzungspfleger vertreten werden muss. In Abwägung des gewollten Minderjährigenschutzes einerseits und der Handlungsfähigkeit der Gesellschaft andererseits sollte die Anwendbarkeit des § 181 BGB jedoch nur auf solche bedeutsamen Änderungen des Gesellschaftsvertrages beschränkt werden, welche eine Benachteiligung des Minderjährigen erwirken können und ein erhöhtes Schutzbedürfnis entfalten (z.B. Änderung von Stimmrechten, Kapitalerhöhungen etc.). Mögliche vorteilhafte (z.B. Begründung von Exklusivrechten ausschließlich zugunsten des Minderjährigen) oder neutrale (z.B. Änderung der Firma, Sitzverlegung) Änderungen des Gesellschaftsvertrages werden von § 181 BGB nicht berührt.
Rz. 65
Die Genehmigungsbedürftigkeit einer Satzungsänderung in einer Kapitalgesellschaft nach § 1822 Nr. 3 BGB wird allgemein verneint. Die Genehmigungsbedürftigkeit einer Gesellschaftsvertragsänderung in einer Personengesellschaft ist hingegen umstritten. Teilweise wird diese sogar verneint, wenn durch die Änderung des Gesellschaftsvertrages in Rechte und Pflichten des minderjährigen Gesellschafters eingegriffen wird. Insbesondere im Hinblick auf die Schutzbedürftigkeit und die Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Änderungen und Neufassung eines Gesellschaftsvertrages existieren jedoch zu Recht starke Gegenmeinungen, welche die Änderungen von Gesellschaftsverträgen einer Personengesellschaft mit minderjährigen Gesellschaftern stets von einer Genehmigung nach § 1822 Nr. 3 BGB abhängig machen wollen. Eine Genehmigungspflicht sollte im Falle "wesentlicher bedeutsamer Änderungen" des Gesellschaftsvertrages einer Erwerbsgesellschaft, unabhängig von der Rechtsform, entsprechend der Genehmigungspflicht beim Eintritt des Minderjährigen in eine neu zu gründende Gesellschaft und dem Beitritt in eine Personengesellschaft zwingend bejaht werden. Die Genehmigungsbedürftigkeit kann sich auch aus § 1822 Nr. 10 BGB ergeben, wenn z.B. durch die Änderung des Gesellschaftsvertrages die Gesellschafterstellung des Minderjährigen vom Kommand...