Ansgar Beckervordersandfort, Dr. Christopher Riedel
Rz. 34
Die Bestellung des Ergänzungspflegers geschieht auf Antrag durch das zuständige Familiengericht. Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach dem gewöhnlichen Aufenthaltsort des Kindes, § 152 Abs. 2 FamFG. Funktional zuständig ist der Rechtspfleger gem. § 3 Nr. 2 lit. a RPflG. Erlangen die gesetzlichen Vertreter eines Minderjährigen Kenntnis von einem Umstand, der sie an der Vertretung des Minderjährigen hindert, haben sie dies dem zuständigen Familiengericht unverzüglich gem. § 1909 Abs. 2 BGB anzuzeigen. Das Gericht entscheidet daraufhin über die tatsächliche Notwendigkeit einer Ergänzungspflegschaft und ordnet diese entsprechend von Amts wegen an (§§ 1915 Abs. 1, 1774 BGB). Die von der Vertretung ausgeschlossenen Eltern können einen geeigneten Ergänzungspfleger vorschlagen. Das Gericht ist an diesen Vorschlag jedoch nicht gebunden, wird diesem aber in der Regel folgen, wenn keine sachlichen Gründe entgegensprechen. Es folgt die Bestellung des Ergänzungspflegers und anschließend seine förmliche Verpflichtung (Bestallung).
Rz. 35
Bereits bei beachtlichem Zweifel an der Vertretungsbefugnis der gesetzlichen Vertreter kann eine Ergänzungspflegschaft angeregt werden, sodass es in der Praxis unter Umständen empfehlenswert ist, im Zweifelsfall stets vorsorglich einen Ergänzungspfleger zu bestellen, welcher anstelle der gesetzlichen Vertreter das Rechtsgeschäft für den Minderjährigen vornimmt. Ist ein Ergänzungspfleger bestellt, wird der Minderjährige, unabhängig davon, ob die Pflegschaft notwendig war, durch diesen vertreten.
Rz. 36
Die Pflegschaft betrifft nur die Besorgung solcher Angelegenheiten, die durch das Familiengericht in der Bestellung festgelegt werden. Die Einrichtung einer Dauerergänzungspflegschaft wird in der Regel nicht angeordnet. Die Pflegschaft endet gem. § 1918 Abs. 1 BGB, wenn der Minderjährige volljährig geworden ist oder der Grund für die ursprüngliche Anordnung entfällt und die Pflegschaft gem. § 1919 BGB aufgehoben wird.
Rz. 37
Ist der Ergänzungspfleger durch § 181 BGB an der Vertretung mehrerer Minderjähriger verhindert (weil beispielsweise eine Mehrfachvertretung vorliegt), da zwischen sämtlichen zu vertretenen Minderjährigen Rechtsbeziehungen begründet werden, bei denen der Ergänzungspfleger auf mehreren Seiten des Rechtsgeschäftes auftreten müsste, muss für jeden Minderjährigen ein eigener Ergänzungspfleger bestellt werden. Ein Ergänzungspfleger kann hingegen für mehrere Minderjährige handeln, wenn die zu vertretenden Minderjährigen auf derselben Seite des Rechtsgeschäftes stehen und insoweit gleichgerichtete Interessen verfolgen.
Rz. 38
Wird der Minderjährige trotz eines Vertretungsausschlusses von seinem gesetzlichen Vertreter vertreten, kann dies sowohl zivilrechtliche als auch steuerliche Nachteile mit sich bringen. Das vom gesetzlichen Vertreter geschlossene Rechtsgeschäft ist nicht nichtig, sondern gem. § 177 BGB bis zur Genehmigung durch den Ergänzungspfleger schwebend unwirksam. Eine erteilte Genehmigung wirkt gem. § 184 Abs. 1 BGB dann zivilrechtlich auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäftes zurück. Der zivilrechtlich schwebend unwirksame Vertrag wird jedoch steuerlich nicht anerkannt. Die spätere Genehmigung durch den Ergänzungspfleger wirkt nur für die Zukunft, sodass das Rechtsgeschäft erst mit Erteilung der Genehmigung auch steuerlich anerkannt wird.