Ansgar Beckervordersandfort, Dr. Christopher Riedel
1. Einzelunternehmen im Nachlass
Rz. 11
Besonderheiten bestehen bei der Behandlung unternehmerischen Vermögens im Nachlass. Teilweise gelten hier wesentliche Vereinfachungen gegenüber der lebzeitigen Übertragung auf den Minderjährigen.
Rz. 12
Ist der Minderjährige Alleinerbe und umfasst der Nachlass (auch) ein gewerbliches Einzelunternehmen, kann der gesetzliche Vertreter ohne weitere Zustimmungserfordernisse entscheiden, ob der Minderjährige das Geschäft weiterführt oder einstellt. §§ 1822 Nr. 3 und 1823 BGB greifen hier nicht ein. Dies gilt auch im Fall einer Zuwendung durch Vermächtnis bzw. für die entsprechende Vermächtnisannahme.
Rz. 13
Ist der Minderjährige Miterbe, stellt sich die Frage, ob das Unternehmen fortgesetzt oder (zum Zwecke der Vermeidung einer persönlichen Haftung, §§ 27, 25 HGB) eingestellt werden soll. Insoweit ist zu beachten, dass nicht etwa die Fortführung, sondern vielmehr die Einstellung einer aktiven Entscheidung der Erbengemeinschaft bedarf. Denn bis zur Einstellung wird das Unternehmen (sozusagen automatisch) fortgeführt. Dementsprechend ist es auch logisch, dass diese Fortführung keiner familiengerichtlichen Genehmigung bedürfen kann.
Bei der Fassung des Beschlusses über die Einstellung des Betriebs muss der Minderjährige natürlich angemessen vertreten sein, entweder durch seinen gesetzlichen Vertreter oder, wenn dieser beispielsweise wegen der Beteiligung mehrerer von ihm abstammender Kinder an der Erbengemeinschaft einem Vertretungshindernis unterliegt, durch einen Ergänzungspfleger. Eine familiengerichtliche Genehmigung ist für diese Beschlussfassung aber grundsätzlich nicht erforderlich, zumal es hier ja gerade nicht um die Aufnahme bzw. den Betrieb eines Erwerbsgeschäfts geht (sondern um das Gegenteil). Etwas anderes gilt nur, wenn die Miterben – aus der Sicht des Gesetzgebers ausnahmsweise, praktisch aber sehr häufig – über die bloße Fortsetzung des Unternehmens in Erbengemeinschaft hinaus eine Gesellschaftsgründung wollen. Der Abschluss eines auf den Betrieb eines Erwerbsgeschäfts gerichteten Gesellschaftsvertrages bedarf nämlich auf jeden Fall gemäß §§ 1643, 1822 Nr. 3 BGB der familiengerichtlichen Genehmigung.
Rz. 14
Problematisch ist oftmals auch die tatsächliche Führung des von der Erbengemeinschaft fortgesetzten Unternehmens. Da der Minderjährige selbst die Geschäftsführung nicht übernehmen kann, ist hier zumeist die Bevollmächtigung eines anderen Miterben angezeigt bzw. erforderlich. Die Vollmacht sollte in der Regel auch das Recht zur Eingehung von Verbindlichkeiten, der Begebung von Wechseln oder Schecks u.Ä. umfassen, um eine den wirtschaftlichen Erfordernissen genügende Geschäftsführungskompetenz sicherzustellen. Hierbei kommt es zu der Situation, dass die Vollmachtserteilung als solche auch ohne familiengerichtliche Genehmigung gültig ist, die angesprochenen Rechtsgeschäfte, die der Bevollmächtigte (auch) im Namen des Minderjährigen abschließt, diesen aber nur nach entsprechender Genehmigung des Familiengerichts (§§ 1643, 1822 Nr. 8, 9, 11 BGB) verpflichten. Um in dieser Situation überhaupt den Anforderungen des täglichen Geschäftsverkehrs genügen zu können, wird die Einholung einer allgemeinen Ermächtigung des gesetzlichen Vertreters durch das Familiengericht nach §§ 1825, 1643 Abs. 3 BGB wohl unweigerlich erforderlich sein. Ob diese auch tatsächlich erteilt wird, hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab.
Rz. 15
Angesichts der umfassenden Genehmigungserfordernisse und der mit einem familiengerichtlichen Genehmigungsverfahren stets verbundenen Unwägbarkeiten sollte – gerade bei einer beabsichtigten Beteiligung Minderjähriger – rechtzeitig erwogen werden, die Nachfolge in einzelkaufmännische Unternehmen bereits lebzeitig zu gestalten oder (besser) gesellschaftsrechtlich zu organisieren. Auch hier bestehen selbstverständlich Probleme bei der Aufnahme von Minderjährigen in gewerblich tätige (Personen-)Gesellschaften (hierzu sogleich mehr, siehe Rdn 29 f.), diese lassen sich aber zu Lebzeiten eher (in Ruhe) regeln als nach dem Tod des Unternehmers. Vor allem aber können so Vertretungsprobleme im Bereich der laufenden Geschäftsführung umgangen werden, da durch entsprechende gesellschaftsvertragliche Regelungen die Geschäftsführung auf eine oder mehrere geeignete Personen übertragen werden kann, ohne dass es hierzu weiterer Vollmachten oder Genehmigungen bedürfte.