A. Einleitung
Rz. 1
Das Betreuungsgesetz trat am 1.1.1992 in Kraft. Der Begriff der "Vorsorgevollmacht" wird seit dem 1.7.2005 im BGB genannt. Zum 1.1.2023 trat die Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts in Kraft, welche diese Themen umfassend überarbeitete und zum Teil auf den Kopf stellte. Aus den "Kinderschuhen" ist das Vorsorge- und Betreuungsrecht inzwischen herausgewachsen. Der Erbrechtler kommt mit diesen Themen häufig in Berührung: Aufgrund längerer Lebenserwartung und entsprechender Zeiten der Unterstützungsbedürftigkeit stehen Erblasser vor dem Tod oft unter Betreuung oder werden durch einen Vorsorgebevollmächtigten vertreten. Miterben werden zudem immer öfter durch einen Betreuer oder Vorsorgebevollmächtigten vertreten, etwa weil sie als Ehegatten oder Geschwister des Erblassers derselben gehobenen Altersgruppe angehören.
Rz. 2
Im Folgenden werden grundsätzliche Berührungspunkte zwischen dem Betreuungsrecht und dem Recht der Erbengemeinschaft sowie Letzterem und Vorsorgevollmachten beleuchtet. Immer wieder gibt es dabei auch Parallelen zum Recht der Minderjährigen (siehe auch § 11).
B. Betreuung
I. Betreuung und Geschäftsfähigkeit
1. Abgrenzung
Rz. 3
Das BGB setzt die Geschäftsfähigkeit eines Volljährigen voraus und regelt nur die Geschäftsunfähigkeit (§ 104 BGB) sowie die beschränkte Geschäftsfähigkeit Minderjähriger (§§ 106–113 BGB). Ein Erwachsener kann gem. § 104 Nr. 2 BGB aufgrund "krankhafter Störung der Geistestätigkeit" geschäftsunfähig sein. Die Anordnung einer rechtlichen Betreuung gem. §§ 1814 ff. BGB für einen Volljährigen setzt dessen Unfähigkeit zur Besorgung eigener Angelegenheiten voraus. Die Bedingungen für die Geschäftsunfähigkeit und die Betreuungsanordnung können simultan vorliegen – müssen es aber nicht.
Rz. 4
In einem Betreuungsverfahren wird (wenn nicht ausnahmsweise ein Attest oder ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen ausreichend sind, §§ 281 f. FamFG) ein medizinisches Gutachten über die Betreuungsbedürftigkeit eingeholt, § 280 FamFG. Die Geschäftsfähigkeit wird regelmäßig im Beweisbeschluss nicht genannt, so dass zu ihr auch keine Feststellungen getroffen werden. Nur wenn sich der Volljährige gegen die Betreuerbestellung wehrt, wird gem. § 1814 Abs. 2 BGB der freie Wille geprüft, dessen Voraussetzungen weitgehend mit der Geschäftsfähigkeit deckungsgleich sind. Im Übrigen kann eine Betreuung auch bei geschäftsfähigen Volljährigen angeordnet worden sein.
2. Betreuungsbedürftiger Miterbe
Rz. 5
Aus der Möglichkeit, dass Geschäftsfähigkeit und Betreuung auseinanderfallen, ergibt sich beim Umgang mit Betreuten oder betreuungsbedürftigen Menschen für andere Personen – wie Miterben – ein zentrales Problem. Auch ein Betreuter kann, wenn er geschäftsfähig ist, einen Auseinandersetzungsvertrag wirksam schließen. Allerdings kann ein Geschäftsunfähiger unbetreut sein, etwa wenn die Betreuung nicht erforderlich ist. Beides führt zu Unsicherheiten und für den Geschäftspartner (etwa den Miterben) ist der unerkannt Geschäftsunfähige ein Debakel.
Rz. 6
In der anwaltlichen Vertretung eines Erben sollten Anzeichen der Geschäftsunfähigkeit eines Miterben alarmierend sein. Ein Zeugnis über die Geschäftsfähigkeit kann von einem Miterben nicht verlangt werden. Im Zweifel sollte daher für den Miterben eine Betreuung beim Betreuungsgericht angeregt werden. Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach § 272 FamFG und liegt meist bei dem Gericht, in dessen Bezirk der Betroffene seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (§ 272 Abs. 1 Nr. 2 FamFG).
Der Aufgabenbereich kann die "Vertretung bei der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft nach Herrn X" sein. Umfassend ist der Aufgabenkreis der "Vermögenssorge", wobei deren konkreter Umfang in dem Beschluss beschrieben werden sollte. Für eine fachgerechte Bearbeitung kann die Bestellung eines Rechtsanwaltes angeregt werden. Der Betreuer kann auch einen Rechtsanwalt für den Betreuten beauftragen.
Rz. 7
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Muster 12.1: Anregung einer Betreuung für einen Miterben
An das Betreuungsgericht _________________________
Wir zeigen die Vertretung von Frau Z an und regen die Einrichtung einer Betreuung für
Herrn B, wohnhaft _________________________ (Adresse),
für den Aufgabenbereich der Vermögenssorge, insbesondere Vertretung ...