Rz. 21
Nach h.M. in der Rspr. werden in Fällen, in denen mehrere Pflichtteilsberechtigte in demselben Verfahren ihre Ansprüche geltend machen, die einzelnen Ansprüche der Pflichtteilsberechtigten addiert. Die Anwaltsgebühren berechnen sich aus der Summe der addierten Ansprüche, § 22 Abs. 1 RVG. Eine Erhöhung der Verfahrensgebühr nach Nr. 1008 VV RVG wegen Vertretens mehrerer Auftraggeber erfolgt nicht. Ob eine Erhöhung nach Nr. 1008 VV RVG eintritt, hängt von folgenden Voraussetzungen ab: Es muss sich um dieselbe Angelegenheit handeln (1). Der Rechtsanwalt muss mehrere Auftraggeber vertreten (2) und es muss Gegenstandsgleichheit vorliegen (3).
a) Gegenstandsgleichheit
Rz. 22
Gegenstandsgleichheit liegt vor, wenn der Rechtsanwalt für mehrere Auftraggeber wegen desselben Rechts oder Rechtsverhältnisses tätig wird. Ob dies der Fall ist, hängt allein von der wirklichen Rechtslage ab, nicht jedoch vom erteilten Auftrag. Im Falle der Gegenstandsgleichheit findet eine Erhöhung gem. Nr. 1008 VV RVG statt.
b) Gegenstandsverschiedenheit
Rz. 23
Gegenstandsverschiedenheit liegt vor, wenn jeder Auftraggeber einen eigenen Anspruch geltend macht. Vertritt der Rechtsanwalt mehrere Pflichtteilsberechtigte, ist er in derselben Angelegenheit für mehrere Auftraggeber tätig. Hierfür genügt nämlich, dass die Interessen mehrerer Personen in einem gerichtlichen Verfahren verfolgt werden. Für eine Erhöhung gem. Nr. 1008 VV RVG muss jedoch der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit hinsichtlich dieser Auftraggeber derselbe sein. An einer solchen Identität fehlt es, wenn mehrere Personen jeweils ihren eigenen Pflichtteilsanspruch gegen den oder die Erben geltend machen. Es handelt sich nicht um einen gemeinschaftlichen Anspruch. Gesamtgläubigerschaft ist nicht gegeben. Jeder Pflichtteilsberechtigte hat einen eigenen individuellen Anspruch.
Beispiel
Drei Pflichtteilsberechtigte machen ihre jeweiligen Pflichtteilsansprüche in Höhe von je 5.000 EUR in einem Prozess gegen den Erben geltend. Für die Pflichtteilsberechtigten wird ein Rechtsanwalt tätig. Nach streitiger Verhandlung ergeht ein Urteil. Die Gebühren des Rechtsanwalts berechnen sich wie folgt:
1. |
1,3-Verfahrensgebühr gem. §§ 2, 13 RVG i.V.m. Nr. 3100 VV RVG aus 15.000 EUR |
2. |
1,2-Terminsgebühr gem. §§ 2, 13 RVG i.V.m. Nr. 3104 VV RVG aus 15.000 EUR |
3. |
zzgl. Auslagen und gesetzl. Umsatzsteuer. |
Rz. 24
Eine Erhöhung gem. § 7 RVG erfolgt nicht, da keine Gegenstandsgleichheit vorliegt.
c) Haftung des jeweiligen Auftraggebers bei Gegenstandsverschiedenheit
Rz. 25
Sind die Gegenstände verschieden, haftet jeder Auftraggeber gegenüber seinem Prozessbevollmächtigten nur für die nach dem Einzelwert zu berechnenden Gebühren. Daraus folgt, dass im Streitfall jeweils zwei Berechnungen vorzunehmen sind. Es ist einerseits der Gesamtbetrag zu ermitteln und andererseits diejenigen Gebühren, die jedem Auftraggeber entstanden wären. Werden mehrere Rechtsanwälte in derselben Angelegenheit tätig (z.B. bei Anwaltswechsel), kann jeder Rechtsanwalt u.U. die vollen Gebühren separat abrechnen. Für die Erstattungspflicht der Gegenpartei gilt § 91 Abs. 2 S. 3 ZPO.