a) Verjährungsfristen
Rz. 54
Auch bei der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen hat der Rechtsanwalt die Pflicht, die Verjährungsfristen zu überprüfen und wenn notwendig, verjährungshemmende Maßnahmen zu ergreifen.
Allgemein gilt, dass der Rechtsanwalt in Fällen, in denen ein Pflichtteils- oder Pflichtteilsergänzungsanspruch zu verjähren droht und zur Hemmung der Verjährung bereits Klage auf Zahlung des Pflichtteils erhoben wurde, verpflichtet ist, seinen Mandanten darauf hinzuweisen, dass der Gerichtskostenvorschuss unverzüglich einzuzahlen ist. Andernfalls läuft der Pflichtteilsberechtigte Gefahr, dass der Anspruch mangels Rechtshängigkeit verjährt. Notwendig ist, dass der Rechtsanwalt den Mandanten nicht nur pauschal auf die Gefahr der Verjährung hinweist, sondern ihm die Folgen der nicht rechtzeitigen Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses erklärt.
Rz. 55
Pflichtteilsansprüche unterliegen der dreijährigen Regelverjährung. Nach § 2317 Abs. 1 BGB entsteht der Pflichtteilsanspruch mit dem Erbfall. Für den Fristlauf ist daher grundsätzlich keine doppelte Kenntnis vom Erbfall und der beeinträchtigenden Verfügung mehr erforderlich. Wegen der Höchstfrist in § 199 Abs. 3a BGB ergibt sich i.E. jedoch keine wesentliche Änderung zur bisherigen Verjährung von Pflichtteilsansprüchen. Allerdings beginnt die kurze dreijährige Verjährungsfrist erst mit dem Schluss des Jahres zu laufen, in dem der Pflichtteilsanspruch entstanden ist und der Pflichtteilsberechtigte nach §§ 195, 199 Abs. 1 BGB von seinem Anspruch Kenntnis erlangt hat. Zu beachten ist, dass ein Pflichtteilsergänzungsanspruch gegen den Beschenkten nach § 2329 BGB unverändert innerhalb von drei Jahren nach Eintritt des Erbfalls verjährt (§ 2332 Abs. 1 BGB). Auf eine Kenntnis des Pflichtteilsberechtigten kommt es hierbei nicht an.
Rz. 56
Des Weiteren ist zu beachten, dass die Verjährung des Pflichtteilsanspruchs und des Anspruchs nach § 2329 BGB nicht dadurch gehemmt wird, dass die Ansprüche erst nach Ausschlagung der Erbschaft oder eines Vermächtnisses entstehen (§ 2332 Abs. 2 BGB).
b) Voreilige Erhöhung der Zahlungsklage
Rz. 57
Grundsätzlich trifft den Rechtsanwalt, der den Pflichtteilsanspruch geltend gemacht hat, die Verpflichtung, keine unnötigen Prozesskosten für den Mandanten auszulösen. Erhöht der Rechtsanwalt im Rahmen einer Pflichtteilsklage den Zahlungsanspruch des Mandanten, ohne die Erfüllung des Auskunftsanspruchs abzuwarten, muss er ihn vorher über das Risiko der Mehrkosten des Rechtsstreits ausführlich belehren.
c) Voreilige Ausschlagung
Rz. 58
Wird der Pflichtteilsberechtigte zum Erben eingesetzt, stellt sich oft die Frage, ob er die Erbschaft annehmen oder ausschlagen soll, um stattdessen seinen Pflichtteilsanspruch zu verlangen. Grundsätzlich gilt, dass der pflichtteilsberechtigte Erbe mit der Ausschlagung auch sein Pflichtteilsrecht verliert. Lediglich unter den Voraussetzungen des § 2306 BGB kann der Pflichtteilsberechtigte einen ihn belastenden bzw. beschwerenden Erbteil ausschlagen. Auch der Ehepartner, der mit dem Erblasser im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt hat, kann nach § 1371 Abs. 3 BGB die Erbschaft ausschlagen und stattdessen den konkreten Zugewinnausgleichsanspruch einschließlich seines "kleinen" Pflichtteils geltend machen. Der Rechtsanwalt muss vor der Ausschlagung einer Erbschaft durch seinen Mandanten stets prüfen, ob infolge der Ausschlagung nicht jeglicher Erb- und Pflichtteilsanspruch verloren geht. Den Rechtsanwalt trifft ferner die Pflicht, seinen zum Nacherben eingesetzten pflichtteilsberechtigten Mandanten darüber aufzuklären, dass er vor Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen zunächst die Nacherbschaft ausschlagen muss. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Nacherbschaft zwar auch noch innerhalb von sechs Wochen nach Eintritt des Nacherbfalls ausgeschlagen werden kann, die Frist für die Verjährung des Pflichtteilsanspruchs jedoch schon unter den Voraussetzungen des § 2332 Abs. 2 BGB mit Eintritt des Vorerbfalls zu laufen beginnt.
d) Verlust des Pflichtteils bei unterlassener Ausschlagung
Rz. 59
Liegen die Voraussetzungen des § 2306 Abs. 1 BGB vor, dann muss der Pflichtteilsberechtigte die Erbschaft ausschlagen, wenn der Pflichtteilsanspruch durch die Beschränkungen und Beschwerungen berührt wird. Hierauf hat der Rechtsanwalt den Mandanten ausdrücklich hinzuweisen. Insbesondere sollte der Rechtsanwalt das Zusammenspiel zwischen der Vorschrift des § 2306 BGB und des § 2318 Abs. 3 BGB exakt prüfen und sich von der irreführenden Formulierung des § 2318 Abs. 3 BGB nicht auf eine falsche Fährte locken lassen.
e) Verfrühte Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs
Rz. 60
Bereits mit der ernstlichen Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs fällt die Erbschaftsteuer hieraus an, § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Dies gilt unabhängig davon, ob der Pflichtteilsanspruch realisiert wird. Fehlerfreie anwaltliche Beratung sollte daher d...