Rz. 18

Auch die Gebührenwerte der einstweiligen Anordnungen sind nicht nur für die Gerichtskosten, sondern über § 23 Abs. 1 RVG auch für die Anwaltsgebühren im FamGKG geregelt. § 41 i.V.m. §§ 33 ff., 43 ff. FamGKG regelt die Werte auch für die einstweilige Anordnung ausschließlich (§ 23 Abs. 1 RVG i.V.m. § 1 FamGKG).

1. Wertvorschrift: § 41 FamGKG, Maßstäbe für die Wertfestsetzung

a) Reihenfolge bei der Berechnung

 

Rz. 19

Lösung 1: Man kann vom gesetzlichen Regelwert der wirklichen oder fiktiven Hauptsache ausgehen, diesen Wert halbieren und dann nach allen Umständen des Einzelfalls diese Hälfte ermäßigen, erhöhen oder belassen.
Lösung 2: Man kann stattdessen einen fiktiven oder wirklichen Hauptsachewert bereits unter Berücksichtigung der Umstände ermitteln und dann "unter Berücksichtigung der geringeren Bedeutung" den Wert erhöhen oder ermäßigen und – i.d.R. – zur Hälfte ansetzen.[23]

Entscheidet man sich für die 2. Lösung sind für die FG-Sachen die "Umstände" gem. den jeweiligen Absätzen 3 der §§ 33 ff., 43 ff. FamGKG berücksichtigt. Für diese Verfahren ist die Reihenfolge gleichgültig. Für den Unterhalt, der keine Berücksichtigung von "Umständen" kennt, wie die FG-Sachen, reduzieren sich dagegen die Gründe, wenn man nach der 2. Lösung arbeitet, weil dann ausschließlich die in § 41 FamGKG genannten Umstände, nämlich nur die "geringere Bedeutung" zum Zug kommt. Im Gesetz heißt es aber nicht, "wegen" sondern nur "unter Berücksichtigung" dieser geringeren Bedeutung. Damit ist m.E. gerade die Möglichkeit gegeben, auch andere Gründe zur Rechtfertigung der Herabsetzung des Verfahrenswerts einzubeziehen, so dass die Lösung 1 die Bessere scheint.

[23] Für die 1. Lösung: HK-FamGKG/Fölsch, § 41 Rn 11; für die 2. Lösung: Gerold/Schmidt/Müller-Rabe/Mayer, Anh. VI Rn 127 ff.

b) Herabsetzung gem. § 41 FamGKG – Regel oder Ausnahme?

 

Rz. 20

Eine weitere streitige Frage ist,

ob die Hälfte gem. § 41 FamGKG ein Regelwert ist, so dass Abweichungen von der Hälfte nach oben oder unten begründet werden müssen,[24] oder
ob der volle (fiktive oder wirkliche) Hauptsachewert die Regel ist und jede Herabsetzung unter diesen vollen Wert die – zu rechtfertigende – Ausnahme darstellt.[25]

Nach zweiter Ansicht ist nach dem gesetzlichen System auch bei einstweiligen Anordnungen vom vollen Hauptsachewert auszugehen und erst dann zu fragen, ob die einstweilige Anordnung einen geringeren Wert hat und nur dann zu ermäßigen, wenn das der Fall ist.

Für diese Auffassung spricht m.E., dass der Gesetzgeber die einstweilige Anordnung ausdrücklich als Ersatz für Hauptsacheverfahren konzipiert hat, auch wenn der Wortlaut des § 41 FamGKG nicht so gefasst ist, wie bei dieser Zielsetzung zu erwarten gewesen wäre.

[24] Für ½ = Regelwert Gerold/Schmidt/Müller-Rabe/Mayer, Anh. VI Rn 130; ebenso OLG München AGS 2011, 306; OLG Stuttgart AGS 2010, 617, OLG Brandenburg FamRZ 2010, 1937; regelmäßig wegen geringerer Bedeutung ½ Hauptsache: OLG Köln FamRZ 2011, 758 = AGS 2010, 618; OLG Celle FamRZ 2011, 757 und FamRZ 2012, 737; OLG Stuttgart FamRZ 2011, 757; OLG Bamberg AGS 2012, 32 = FamRZ 2012, 737.
[25] OLG Stuttgart AGS 2010, 617 m. Anm. N. Schneider.

c) Vorliegen der "geringeren Bedeutung"

 

Rz. 21

Folgt man der Meinung, dass der zu halbierende Wert der bereits überprüfte Hauptsachewert ist (§ 41 FamGKG), reduziert sich die dann vorzunehmende Prüfung tatsächlich auf die Frage, inwieweit eine "geringere Bedeutung" vorliegt.

Es wird dann nur gefragt,

ob der Antrag auf einstweilige Anordnung inhaltlich mit einem Hauptsacheantrag übereinstimmt,
ob die Lösung im Eilverfahren nach ihrer Bestandskraft dem Hauptsacheverfahren gleich kommt.[26]

Wenn beide Voraussetzungen vorliegen, soll der volle ermittelte Wert (100 %) angesetzt werden, wenn nur eines dieser Merkmale vorliegt, soll dies die Bestätigung der 50 % des ermittelten Hauptsachewertes sein.

Das könnte bedeuten, dass die typische einstweilige Anordnung, die weder mit dem Hauptsacheantrag identisch noch dauerhaft ist, in der Gefahr ist, noch unter die Hälfte des ermittelten Hauptsachewertes zu geraten. Auch ist zu fragen, wie dann eine flexible Billigkeitslösung aussehen kann; Gleichwertigkeit ist entweder gegeben oder nicht gegeben.

[26] Gerold/Schmidt/Müller-Rabe/Mayer, Anh. VI Rn 139 ff., 166 ff.

d) Beispielsfälle

 

Rz. 22

Die Lösung, dass die Hälfte des Hauptsachewertes Regelwert ist, wird dadurch freilich praktikabler, dass die Gleichwertigkeit im Bestand des Titels weit gesehen wird, Gleichwertigkeit also angenommen wird,

wenn eine Vereinbarung mit endgültiger Regelung im Eilverfahren getroffen wird (§ 34 FamGKG ist nicht anzuwenden),[27]
wenn der zeitliche Ablauf so knapp ist, dass die Entscheidung im Eilverfahren als endgültig anzusehen ist, weil es zur Hauptsache nicht mehr kommen kann (Fall der kurzfristigen Umgangsregelung),
wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er nicht beabsichtigt, eine Hauptsache anhängig zu machen, sondern die einstweilige Anordnung als dauerhaft akzeptieren wird,
und vor allem in den Fällen, in denen bestimmte Eilverfahren zu einer endgültigen Regelung erfahrungsgemäß führen, wie dies beim Prozesskosten/Verfahrenskostenvorschuss gegeben ist.[28]

Wenn jedoch die Hauptsache an...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?