Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 226
Grundsätzlich gilt – wie beim Wohnungsrecht–, dass eine Grundstücksübertragung noch nicht allein durch eine Pflege- und Versorgungsverpflichtung zum Altenteilsvertrag wird. Was der Ausfall von Pflege und Wart außerhalb von Altenteilen bzw. Leibgedinge im Einzelfall bedeutet, ist daran zu messen, in welchem Umfang sich der Übernehmende zur Pflege des Übergebenden verpflichtet hat.
Bei der verweigerten bzw. vom Übernehmer zu erbringender Pflege "kann der Auszug eine Zahlungsverpflichtung wegen nicht mehr zu gewährender Wart und Pflege nicht in Frage stellen".
"Ergibt die Feststellung, dass der Übernehmende zur Pflege des Übertragenden nur in dem Umfang verpflichtet ist, wie er sie neben seiner Berufstätigkeit leisten kann, und reicht eine häusliche Pflege in diesem Umfang zur Versorgung des Übertragenden nicht aus, führt dies nicht dazu, dass der Übernehmende von der Verpflichtung zur Pflege des Übertragenden nach § 275 Abs. 1 BGB a.F. frei wird und das als Gegenleistung übertragene Grundstück gemäß §§ 323 Abs. 3, 818 BGB a.F. zurückzugeben hat. In ergänzender Auslegung des Vertrages ist vielmehr zu prüfen, welche Rechtsfolge die Vertragsparteien vereinbart hätten, sofern sie eine solche Entwicklung bedacht hätten. Entsprechendes gilt, wenn bei uneingeschränkter Pflegeverpflichtung des Übernehmenden der Gesundheitszustand des Übertragenden sich so weit verschlechtert, dass seine häusliche Pflege nicht mehr in Betracht kommt. Die ergänzende Auslegung der Vereinbarungen im Übertragungsvertrag wird in einem solchen Fall regelmäßig dazu führen, dass der Übernehmende den Übertragenden zwar nicht mehr zu pflegen, sich jedoch an den Kosten seiner Pflege zu beteiligen hat."
Rz. 227
Die Umwandlung eines Pflege- und Wartrechts außerhalb eines Altenteilvertrages in einen Anspruch auf Zahlung ist durch den BGH und die untergerichtliche Rechtsprechung mit zunehmend restriktiver Tendenz beurteilt worden, wenn die Beteiligten nicht ausdrücklich dazu eine gesonderte vertragliche Regelung getroffen haben. Der BGH zentriert seine Überlegungen bei solchen Fällen auf
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die professionell vereinbarte Pflege, |
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die vom Verpflichteten zu vertretenden Gründen der Unmöglichkeit, die vereinbarte Pflege zu erbringen. |
Für den Fall, dass ausdrücklich auf die Vereinbarung eines Surrogats für den Fall der Heimaufnahme verzichtet wurde, lehnt es der BGH ab, dies pauschal als sittenwidrig anzusehen. Ein solcher Vertrag sei – ohne das Hinzutreten weiterer Umstände – nicht nach § 138 BGB sittenwidrig, weil die Rechtsordnung auch zulasse, dass der Hilfebedürftige die Immobilie ohne jede Gegenleistung zulässigerweise verschenken könne.
Übergabeverträge nehmen in der Regel eine Erbfolge vorweg und haben den Charakter einer gemischten Schenkung. Der Übernehmer ist zwar schon im Hinblick auf die engen persönlichen Beziehungen bereit, Versorgungsleistungen wie Unterbringung, Beköstigung und Pflege zu erbringen. Er nimmt jedoch lediglich den damit verbundenen relativ geringen finanziellen Aufwand in Kauf, möchte seine Lebensführung aber nicht mit zusätzlichen Zahlungsverpflichtungen belasten. Eine von solchen Beweggründen getragene Regelung ist – ohne Hinzutreten besonderer Umstände – nicht unanständig und verstößt daher nicht gegen die guten Sitten, auch wenn sie zur Folge haben kann, dass der Träger der Sozialhilfe eintreten muss.
Der Umstand, dass eine Immobilie infolge der Übertragung nicht mehr als Vermögensgegenstand zur Verfügung steht, der für die Heimunterbringungskosten verwertet werden könnte, spielt für die Frage der Sittenwidrigkeit keine Rolle. Einen Elternteil trifft grundsätzlich keine Verpflichtung, über die Leistungen an die gesetzliche Rentenversicherung hinaus für sein Alter vorzusorgen. Er ist in seiner Entscheidung frei, sein Haus gegen eine Gegenleistung zu übertragen, die dessen Wert nicht erreichte; er kann es auch ohne Gegenleistung übertragen. Solche allein ihm vorbehaltenen Entscheidungen bilden keinen Anknüpfungspunkt für Überlegungen zur Sittenwidrigkeit.“
Rz. 228
Wenn die Beteiligten keine Regelung für den Fall des Umzugs in eine Pflegeeinrichtung getroffen haben und der Dienstleistungsverpflichtete zu vertreten hat, dass er die vereinbarte Leistung nun nicht mehr erbringen kann, dann gelten die allgemeinen Leistungsstörungsregelungen.
Wenn die Beteiligten keine Regelung für den Fall des Umzugs in ein Senioren- oder Pflegeheim getroffen haben, weil sie bei Abschluss des Übergabevertrages selbstverständlich davon ausgegangen sind, der Übergeber könne im Alter zu Hause gepflegt werden, und ist es aus medizinischen Gründen nicht mehr möglich, zu Hause versorgt und gepflegt zu werden, so ist die Erbringung für den Verpflichteten objektiv unmöglich, ohne dass dies von diesem zu vertreten ist. Die Rechtsfolge dieser Unmöglichkeit und des Fehlschlagens der Vorstellung, der Zuwendende könne bis an sein Lebensende zu Hause gepflegt werden, muss unter umfassender Abwägung der Parteiinteress...