Sabine Jungbauer, Dipl.-Ing. Werner Jungbauer
Rz. 127
Eine Handlungsvollmacht, die einen Anwalt im Namen des Mandanten zur Anfechtung, Kündigung oder z.B. einem Widerruf ermächtigt, kann nach diesseitiger Ansicht elektronisch (zurzeit) nicht dargestellt werden, denn § 174 BGB spricht von einer "Urkunde" und nicht von einer "elektronischen Urkunde". Auch die Rechtsprechung des BGH, dass ein Fax-Exemplar einer Handlungsvollmacht nicht wirksam ist, bestätigt die Annahme der Unwirksamkeit bei einem Scan:
Zitat
"Die Telefaxkopie einer Originalvollmacht ist keine Vollmachtsurkunde im Sinne des § 174 S. 1 BGB."
Rz. 128
Die Zurückweisung der Vollmacht ist allerdings ausgeschlossen, wenn der Vollmachtgeber den anderen von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hatte, § 174 S. 2 BGB.
Rz. 129
Nach Auffassung des BGH liegt der Vorschrift des § 174 BGB zugrunde,
Zitat
"dass bei einem einseitigen Rechtsgeschäft eine Vertretung ohne Vertretungsmacht unzulässig ist (§ 180 I 1 BGB) und es daher im dringenden Interesse des Erklärungsempfängers liegt zu wissen, ob der als Vertreter Auftretende bevollmächtigt ist oder nicht."
Ein Mangel der Vertretungsmacht kann nicht rückwirkend geheilt werden. Etwas anderes gilt für die Prozessvollmacht, siehe dazu die Ausführungen unter Rdn. 119 ff., insbesondere Rdn. 123. Ob die Vorlage der Vollmachtsurkunde bei jedem Rechtsgeschäft erneut erforderlich ist oder ein Verweis auf die frühere Vorlage reicht, ist strittig. Um den Rahmen dieses Werks nicht zu sprengen, wird insoweit auf die gängigen Kommentierungen zu § 174 BGB verwiesen.
Rz. 130
Festzuhalten bleibt jedoch, dass im elektronischen Zeitalter Vorgänge, die in Papierform ohne Weiteres möglich waren, so z.B. die Schriftsatzkündigung durch einen den Arbeitgeber vertretenden Rechtsanwalt (Vorlage der Kündigung und der entsprechenden Vollmacht im Original), im elektronischen Zeitalter nicht mehr möglich sind. Denn hier scheitert die Möglichkeit, für den Auftraggeber materiell-rechtliche Erklärungen via Schriftsatz an das Gericht bzw. mittels elektronischem Schreiben gegenüber dem Gegner via beA abzugeben, in der heutigen Zeit regelmäßig bereits daran, dass die Berechtigung zur Abgabe materiell-rechtlicher Erklärungen durch den Anwalt in der Regel durch Vollmacht nachgewiesen werden muss. Selbst wenn somit eine für die materiell-rechtliche Erklärung gesetzlich vorgeschriebene Schriftform durch die elektronische Form ersetzt werden könnte, bleibt in der Praxis das "Problem" der Original-Handlungsvollmacht. Zu materiell-rechtlichen Erklärungen siehe auch Rdn. 131 in diesem Kapitel. Zudem sind sowohl Handlungsvollmacht als auch materiell-rechtliche Erklärung dem Gegner zu übermitteln. Selbst wenn daher die schriftliche Kündigungserklärung z.B. eines Bauvertrags gem. § 650h BGB durch die elektronische Form i.S.d. § 126a BGB ersetzt werden könnte und die Vollmacht hierfür der Gegenseite bereits vorläge, bliebe noch die Unwägbarkeit, dass man sich darauf verlassen müsste, dass das Gericht/die Geschäftsstelle die entsprechende Erklärung mit der dazu gehörigen qualifizierten elektronischen Signatur-Datei (zur Erforderlichkeit siehe Rdn. 131 ff. in diesem Kapitel) auch an die Gegenseite zustellt.
Rz. 131
Praxistipp
Wird die Vorlage einer Handlungsvollmacht gem. § 174 BGB erforderlich, sollte die Vollmacht ggf. mit der dazugehörigen Erklärung dem Gegner nachweisbar übermittelt und ggf. im Schriftsatz auf diesen Vorgang Bezug genommen werden.