aa) Einstimmigkeitsgrundsatz
Rz. 57
Außerordentliche (nicht ordnungsmäßige) Verwaltungsmaßnahmen bedürfen der Einstimmigkeit (§ 2038 Abs. 1 S. 1 BGB). Darunter fallen außergewöhnliche Dispositionen über den Nachlass, die eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung haben.
Beispiele für außerordentliche Verwaltung:
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Umänderung einer Erbengemeinschaft in eine werbende Gesellschaft, |
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Umwandlung eines Gewerbes in ein Unternehmen einer anderen Branche. |
bb) Begriff
Rz. 58
Eine außerordentliche Verwaltungsmaßnahme liegt vor, wenn der Nachlass wesentlich verändert werden soll, §§ 2038 Abs. 2 S. 1, 745 Abs. 3 S. 1 BGB. Dabei kommt es nicht auf die wesentliche Veränderung des einzelnen Nachlassgegenstands als solchen an, sondern auf eine wesentliche Veränderung des ganzen Nachlasses.
Eine wesentliche Veränderung setzt voraus, dass durch die Verwaltungsmaßnahme die Zweckbestimmung oder Gestalt des Nachlasses in einschneidender Weise geändert werden würde.
Dazu der BGH im Urt. v. 28.9.2005:
Zitat
1. Zu den mitwirkungspflichtigen Verwaltungsmaßregeln gem. § 2038 Abs. 1 S. 2 BGB zählen grundsätzlich auch Verfügungen über einzelne Nachlassgegenstände.
2. Die Beurteilung, ob eine Veränderung wesentlich i.S.v. §§ 745 Abs. 3 S. 1, 2038 Abs. 2 S. 1 BGB ist, richtet sich nach dem gesamten Nachlass und nicht den einzelnen davon betroffenen Nachlassgegenständen.
3. In der bloßen Umstrukturierung des Nachlasses durch die mit dem Verkauf eines Nachlassgrundstückes verbundene Verschiebung des Verhältnisses von Grund- zu Barvermögen liegt allein noch keine wesentliche Veränderung des Gesamtnachlasses.
Rz. 59
Konsequenz dieser Rechtsprechung: Die Verweigerung der Mitwirkung bei der Veräußerung eines Nachlassgrundstücks kann eine Schadensersatzpflicht nach sich ziehen. Dies dürfte aber in erster Linie dann gelten, wenn sich im Nachlass mehrere Grundstücke befinden.
cc) Veräußerung eines Nachlassgrundstücks
Rz. 60
Die Veräußerung des einzigen Nachlassgrundstücks wird im Regelfall eine Maßnahme außerordentlicher Verwaltung des Nachlasses sein, d.h., dass in einem solchen Fall auch die gesamte Abwicklung des Kaufvertrags nach § 2038 Abs. 1 S. 1 BGB der Einstimmigkeit bedarf. So hat der BGH zur Frage der Nachfristsetzung gegenüber dem Käufer eines Nachlassgrundstücks wie folgt entschieden:
Zitat
"Eine Erbengemeinschaft kann dem Käufer eines Nachlassgrundstücks die Nachfrist zur Zahlung des Kaufpreises (§ 326 Abs. 1 S. 1 BGB) auch dann nur gemeinsam setzen, wenn sie den Kaufpreis unter sich bereits in der Weise aufgeteilt hat, dass jedem ihrer Mitglieder eine eigenständige Forderung gegen den Verkäufer zusteht."
Rz. 61
Allerdings hat das OLG Koblenz in einem speziellen Fall die Veräußerung des einzigen Nachlassgrundstücks als Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung angesehen:
Zitat
1. Die Veräußerung eines Grundstücks kann nach den Umständen des Einzelfalls auch dann eine Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung sein, wenn es der einzige werthaltige Bestandteil des Nachlasses ist.
2. Dass der Zustimmungsanspruch zur Grundstücksveräußerung der Erbengemeinschaft zusteht, hindert die klageweise Durchsetzung der Mehrheitsentscheidung durch einen einzelnen Miterben nicht.
3. Verlangt ein zu 1/2 am Grundbesitz beteiligter Miterbe von einem lediglich zu 1/24 Beteiligten die Zustimmung zur Grundstücksveräußerung, bestimmt die Erbquote des Anspruchstellers den Streitwert.
dd) Kündigung eines Rechtsverhältnisses
Rz. 62
BGH-Rechtsprechung zur Kündigung eines Mietverhältnisses
Die Kündigung eines Mietverhältnisses sei zwar eine Verfügung über dieses Rechtsverhältnis, die Erben könnten aber ein Mietverhältnis über eine zum Nachlass gehörende Sache wirksam mit Stimmenmehrheit kündigen, wenn sich die Kündigung als Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung des Nachlasses darstellt.
Rz. 63
Dieser Rechtsprechung folgen das OLG Frankfurt in Bezug auf die Kündigung eines Darlehens und das OLG Brandenburg in Bezug auf die Kündigung eines Girovertrages und eines Sparkontos.
ee) Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung gegen einen Miterben
Rz. 64
Nach § 2038 Abs. 2 S. 1 BGB i.V.m. § 745 Abs. 2 BGB kann jeder Miterbe, sofern nicht die Verwaltung und Benutzung durch Vereinbarung oder durch Mehrheitsbeschluss geregelt ist, eine dem Interesse aller Miterben nach billigem Ermessen entsprechende Verwaltung und Benutzung verlangen.
Ein Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung setzt ein Neuregelungsverlangen i.S.d. § 745 Abs. 2 BGB voraus.
Über die Verwaltung und Benutzung des gemeinschaftlichen Gegenstandes bestimmen die Miterben, sofern sie...