1. Grundsatz
Rz. 98
Gegenstand der Verfügung ist der einzelne Nachlassgegenstand, nicht etwa der Erbteil. Es gilt der Grundsatz, dass alle Miterben gemeinsam handeln müssen (§ 2040 Abs. 1 BGB).
2. Begriff
Rz. 99
"Verfügung" ist jedes Rechtsgeschäft, durch das ein Recht unmittelbar übertragen, belastet, geändert oder aufgehoben wird.
Die Rechtsprechung versteht darunter auch die Ausübung von Gestaltungsrechten, wie Anfechtung nach § 119 BGB, Kündigung einer Forderung und Kündigung eines Pachtverhältnisses. In der Literatur wird die Meinung vertreten, dass auch der Rücktritt darunter fällt.
3. Gesetzliches Vertretungsrecht
Rz. 100
Der Wortlaut des § 2040 Abs. 1 BGB mit seinem Erfordernis der ausschließlichen Einstimmigkeit könnte einen Widerspruch zu § 2038 BGB mit seinen drei Abstufungen vermuten lassen. Bestünde zwischen § 2040 BGB und § 2038 BGB tatsächlich ein Widerspruch, so würde § 2038 BGB in den Fällen der ordnungsmäßigen Verwaltung und der Notverwaltung leer laufen, wenn die betreffende Verwaltungsmaßnahme gleichzeitig eine Verfügung beinhalten würde. Zumindest bei der Notverwaltungsmaßnahme muss der Handelnde für die anderen Miterben verfügen können, weil die Notgeschäftsführung anders nicht praktiziert werden könnte. Der handelnde Miterbe hat ein gesetzliches Vertretungsrecht für die anderen.
Rz. 101
Bei der ordnungsmäßigen Verwaltung verlangt der BGH wohl noch immer Einstimmigkeit bei der Verfügungshandlung, obwohl er sich entgegen seiner früheren Rechtsprechung jetzt der neueren Literatur angenähert haben dürfte, die keine Einstimmigkeit mehr für die Verfügung vorsieht. Der BGH hat im Urt. v. 28.4.2006 einen Mittelweg gefunden, indem er die Miterbenmehrheit Verfügungen über Nachlassgegenstände vornehmen lässt, sofern dadurch die berechtigten Interessen der anderen Miterben nicht beeinträchtigt werden. Einen völligen Gleichlauf zwischen Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis der Miterben hat der BGH allerdings noch nicht angenommen. Die neuere Literatur ist der Ansicht, dass ein Mehrheitsbeschluss für das Verfügungsrecht der handelnden Miterben genügen muss, weil andernfalls die Mehrheitsregelung des § 2038 Abs. 1 BGB leer liefe. Nach der älteren Rechtsprechung des BGH sollten die nicht zustimmenden Miterben in jedem Fall auf Zustimmung verklagt werden.
Rz. 102
Dazu der BGH:
Zitat
"… Die Klägerin zu 1 durfte die Klage jedoch trotz der Bestimmung in § 18 Abs. 1 GmbHG allein erheben. Eine solche Befugnis ergibt sich freilich nicht aus § 2039 Satz 1 BGB. Danach kann ein Miterbe einen zum Nachlass gehörigen Anspruch allein geltend machen und Leistungen an alle Erben verlangen. Die Ausübung von Gestaltungsmöglichkeiten gehört aber nicht zu den Ansprüchen im Sinne dieser Vorschrift (…). Die Anfechtung eines Gesellschafterbeschlusses ist ein solches Gestaltungsrecht. Nach § 2038 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB kann indessen jeder Miterbe notwendige Erhaltungsmaßnahmen ohne Mitwirkung der anderen treffen. Dazu kann auch die Erhebung einer Klage gehören, wenn nur durch sie ein zum Nachlass gehöriges Recht erhalten werden kann (…). Diese Voraussetzung ist bei einer gesellschaftlichen Anfechtungsklage erfüllt; denn nur durch deren rechtzeitige Erhebung kann die Wirksamkeit eines rechtswidrigen Beschlusses beseitigt werden (…). In einem solchen Fall steht dem allein klagenden Miterben eine gesetzliche Prozessführungsbefugnis zu; § 2038 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB geht der Regelung in § 2040 BGB, wonach die Erben über einen Nachlassgegenstand nur gemeinschaftlich verfügen können, vor. Das Senatsurteil vom 14.12.1967 (BGHZ 49, 183, 192; vgl. demgegenüber BGHZ 56, 47, 50 f.) steht dem nicht entgegen; dort ging es um die Frage, ob ein Mehrheitsbeschluss der Erben von der Mehrheit mit Außenwirkung ausgeführt werden kann."
Rz. 103
Sowie die Ausführungen des BGH:
Zitat
… Nach dieser Bestimmung [§ 2038 BGB] steht die Verwaltung des Nachlasses den Erben grundsätzlich gemeinschaftlich zu (§ 2038 Abs. 1 S. 1 BGB). Nach § 2038 Abs. 2 S. 1 mit § 745 Abs. 1 S. 1 BGB kann aber durch Stimmenmehrheit eine der Beschaffenheit des gemeinschaftlichen Gegenstands entsprechende ordnungsmäßige Verwaltung und Benutzung beschlossen werden. Darum geht es bei dem Vorschlag, Rechtsanwalt P. für die Gesellschafterversammlung vom 28.9.1966 Vollmacht zu erteilen.
c) Es kann dahingestellt bleiben, ob mit Mehrheit auch die Erteilung einer Stimmrechtsvollmacht beschlossen werden kann, die den Bevollmächtigten berechtigt, an Beschlüssen mitzuwirken, die Verfügungen über das Gesellschaftsvermögen zum Inhalt haben. Denn im vorliegenden Fall hatte die Vollmacht den Zweck, die Beschlüsse vom 16.3.1963 nicht zu bestätigen und nicht zu genehmigen. Es kommt daher entgegen der Revision nicht darauf an, ob die Erteilung einer Vollmacht, die die erneute Vornahme jener Beschlüsse hätte ermöglichen sollen, eine Verfügung darstellt.
d) Das Beruf...