Rz. 60

Im Gegensatz zum Freibeweisverfahren können bei Anwendung der Strengbeweisvorschriften

Zwangsmittel zur Erzwingung von Zeugenaussagen verhängt werden, §§ 380, 390 ZPO;
die Beteiligten ihr Fragerecht ausüben, §§ 397, 402 ZPO;
sowie Zeugen etc. vereidigt werden, § 30 Abs. 1 FamFG.

Grundsätzlich besteht für das Gericht die Möglichkeit zwischen dem Streng- und dem Freibeweisverfahren zu wählen,[148] wobei das Gericht aber nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden hat.

Das OLG Zweibrücken[149] hat dazu ausgeführt:

Zitat

"Im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit hat der Tatrichter nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob er sich mit formlosen Ermittlungen ("Freibeweis") begnügen oder eine förmliche Beweisaufnahme ("Strengbeweis") durchführen will. Letzteres ist nach pflichtgemäßem Ermessen stets dann erforderlich, wenn durch formlose Ermittlungen eine genügende Sachaufklärung nicht zu erreichen ist oder wenn das Recht der Beteiligten, an der Wahrheitsermittlung mitzuwirken, auf andere Weise nicht gesichert ist. Haben Zeugen bei ihrer formlosen Anhörung schriftlich zu einem entscheidenden Punkt einander widersprechende Angaben gemacht, so ist es für eine verlässliche Beweiswürdigung grundsätzlich unumgänglich, dass der Tatrichter sich durch die persönliche Vernehmung und Gegenüberstellung der Zeugen zunächst einen Eindruck von deren Glaubwürdigkeit verschafft."

Im Einzelnen können folgende Gesichtspunkte eine förmliche Beweisaufnahme gebieten:

Ermittlung wichtiger Einzeltatsachen, wie z.B. die Frage der Testierfähigkeit, die Errichtung oder der Inhalt eines Testaments;
streitige Tatsachen oder widersprechende Angaben der Beteiligten;[150]

die Aussage eines Zeugen wird in Zweifel gezogen (Fragerecht!).

 

Beispiel aus der Rechtsprechung:

BayObLG NJW-RR 1992, 653

"(...) Zwar liegt es grundsätzlich im Ermessen des Gerichts, ob es sich mit formlosen Ermittlungen begnügt oder ob es in der gemäß § 15 Abs. 1 FGG (Anm. des Autors: nunmehr § 30 FamFG) vorgesehenen Form Beweis erheben will (vgl. BayObLGZ 1977, 59 (65); (...)). Das förmliche Beweisverfahren (Strengbeweis) verdient aber dann den Vorzug, wenn es auf die Erweisbarkeit bestimmter Einzeltatsachen ankommt wie Errichtung und Inhalt eines nicht mehr vorhandenen Testaments (st. Rspr. des Senats, vgl. BayObLG, FamRZ 1990, 1162 (1163) …). Das gilt insbesondere dann, wenn das Recht eines Beteiligten, an der Wahrheitsfindung mitzuwirken, ansonsten nicht hinreichend gesichert ist …. Von einem förmlichen Beweisverfahren kann in solchen Fällen nur dann abgesehen werden, wenn bereits formlose Ermittlungen zweifelsfrei ergeben haben, dass Errichtung und Inhalt des Testaments nicht festgestellt werden können. (...)"

besonders schwere Eingriffe, vor allem in Grundrechte.

Wählt das Gericht trotz Vorliegen derartiger Umstände nicht das Strengbeweisverfahren, so kann eine eventuelle weitere Beschwerde auf einen Verstoß gegen die Amtsaufklärungspflicht nach § 26 FamFG gestützt werden.

[148] Bassenge/Roth/Gottwald, § 30 Rn 3; Bumiller/Harders, § 30 Rn 1; Keidel/Sternal, § 30 Rn 3.
[149] OLG Zweibrücken NJW-RR 1988, 1211.
[150] Vgl. die eben genannte Entscheidung des OLG Zweibrücken NJW-RR 1988, 1211.

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