Rz. 18
Zusätzlich zu den schon in § 1908i Abs. 2 S. 2 BGB a.F. genannten Personen sind nun auch Geschwister grundsätzlich befreit, § 1859 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB n.F. Zudem können weitere Personen befreit werden, die der Betreute vor der Betreuung schriftlich benannt hat, § 1859 Abs. 2 S. 2 BGB n.F. Nach hier vertretener Ansicht führt die Erweiterung auf Verwandte in gerader Linie nicht zu einer neuen (!) Erfassung von Enkeln, Großenkeln usw., wie es in der Gesetzesbegründung steht. Diese sollten schon von dem Begriff der Abkömmlinge umfasst gewesen sein, auch wenn er im Gesetz nicht definiert ist, sonst hätte es "Kinder" geheißen. Da bislang Vater und Mutter genannt wurden, findet aber eine Erweiterung auf Großeltern etc. statt.
Rz. 19
Damit sind befreit bzw. Befreiungen möglich für:
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Verwandte in gerader Linie, also Eltern, Großeltern, Kinder, Enkel etc., § 1859 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB n.F. |
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Geschwister, § 1859 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB n.F. |
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Ehegatten, § 1859 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB n.F. |
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Betreuungsverein und Vereinsbetreuer, § 1859 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 BGB n.F. |
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Betreuungsbehörde und Behördenbetreuer, § 1859 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 BGB n.F. |
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In Betreuungsverfügung benannte Personen, § 1859 Abs. 2 S. 2 BGB n.F. (können vom Gericht befreit werden) |
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Auf Antrag nach § 1860 BGB n.F. (siehe Rdn 34). |
Mit der Erweiterung auf Geschwister und vom Betreuten in einer Betreuungsverfügung benannte Personen sollen auch die Gerichte entlastet werden. Sie gibt aber auch den Betroffenen mehr Möglichkeiten zur Selbstbestimmung. Wenn zwar keine Vorsorgevollmacht erteilt werden soll, aber doch eine bestimmte Person später Betreuer sein soll, kann dessen Befreiung vom Betroffenen zur Erleichterung der Tätigkeit gewünscht sein.
Rz. 20
Interessant ist die Einschränkung auf Schriftstücke, die vor der Bestellung des Betreuers erstellt wurden, also solche, für die der Begriff der Betreuungsverfügung gängig ist. Diese Einschränkung wurde schon früh in der Diskussion für wesentlich erachtet. Bewusst und als sehr sinnvoll erscheinend soll vermieden werden, dass in dem Verfahren vom zukünftigen Betreuer Einfluss auf die Betroffenen genommen wird und so Missbrauchsgefahren entstehen. Auch nach hier vertretener Ansicht sollte eine Befreiung eines jahrelangen Lebensgefährten, mit dem nur die Ehe nicht geschlossen wurde, durch das Betreuungsgericht sehr viel eher in Betracht kommen als einer Person, die erst vor kurzem in das Leben des Betroffenen getreten ist.
Allerdings erscheint die Formulierung verunglückt. Wenn die Betreuungsverfügung "vor der Bestellung des Betreuers" zu erfolgen hat, kann sie das noch im gesamten Betreuungsverfahren, also in der Zeit, in der sich die potentiell missbrauchende Person als Betreuer zur Verfügung stellt. Die Befreiung wird regelmäßig mit der Bestellung erteilt. Vorzugswürdig wäre wohl eine Formulierung wie "vor der Einleitung eines Betreuungsverfahrens".
Rz. 21
Da es sich bei § 1859 Abs. 2 S. 2 BGB n.F. aber nur um eine Kann-Vorschrift handelt, hat das Betreuungsgericht bei der Befreiung Ermessen. Es wird den Gedanken der Norm auch bei einer Entscheidung über einen Befreiungswunsch in einer Betreuungsverfügung, die erst im oder kurz vor dem Verfahren (wo auch die hier vorgeschlagene Formulierung nicht greifen würde) erstellt wurde, bei seiner Ermessensentscheidung berücksichtigen.
Wichtige Regelung
In einer Betreuungsverfügung kann auch die Befreiung des dereinstigen Betreuers gewünscht werden, § 1859 Abs. 2 S. 2 BGB n.F.
Rz. 22
Wenn die Äußerung in der Betreuungsverfügung nicht mehr dem Wunsch des Betreuten entspricht, ist sie nicht zu berücksichtigen, § 1859 Abs. 2 S. 3 BGB n.F.
Rz. 23
Gem. Art. 229 § 54 EGBGB haben Betreuer, die bislang nicht befreit waren und es erst aufgrund der neuen Gesetzeslage werden, z.B. Geschwister, noch für das Jahr 2023 Rechnung zu legen.
Die Befreiung wird zukünftig auch in den Betreuerausweis eingetragen. Damit wird der Rechtsverkehr mit Banken vereinfacht, bei dem bislang erst zusätzlich, etwa durch Beschlussvorlage geklärt werden musste, welche Befugnisse dem Betreuer bei der Geldanlage und -verwaltung zustehen.