Rz. 150

Zum 1.7.1998 ist das sog. Beistandschaftsgesetz[514] in Kraft getreten. Die bis dahin bestehende gesetzliche Amtspflegschaft wurde durch die Beistandschaft ersetzt, die unverändert jedoch durch das Jugendamt wahrgenommen wird. Während sich die ursprüngliche Amtspflegschaft allein auf Kinder erstreckte, die außerhalb einer formgültigen Ehe geboren waren, kann die Beistandschaft nun für alle Kinder eingerichtet werden, für die nach Trennung oder Scheidung der Eltern ein konkreter Handlungsbedarf besteht.[515] Die nach §§ 1712 ff. BGB für die Beistandschaft geltenden Vorschriften werden durch die Regelungen in §§ 52a ff. SGB VIII ergänzt.

 

Rz. 151

Zur Einleitung der Beistandschaft bedarf es des schriftlichen Antrags (§ 1712 Abs. 1 BGB)[516] durch eine der in § 1713 BGB genannten Personen, wobei das Antragsrecht höchstpersönlich ist[517] – es sei denn die Kindesmutter ist geschäftsunfähig (§ 1713 Abs. 2 S. 3 BGB – und bereits vorgeburtlich möglich ist. Die Entscheidung des Jugendamtes über einen Antrag auf Einrichtung einer Beistandschaft stellt einen Verwaltungsakt dar, der ggf. durch Widerspruch angegriffen werden kann.[518] Örtlich zuständig für die Beistandschaft ist gem. § 87c Abs. 5 SGB VIII das Jugendamt, in dessen Bezirk der antragstellende Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Kann ein solcher nicht festgestellt werden, so ist ersatzweise auf den tatsächlichen Aufenthalt abzustellen (§ 87c Abs. 1 S. 3 SGB VIII).

 

Rz. 152

Je nachdem, welcher Antrag gestellt wird, richtet sich die Beistandschaft auf die Feststellung bzw. Anerkennung der Vaterschaft[519] und/oder die Realisierung von Unterhaltsansprüchen des Kindes. Davon umfasst werden auch etwaige weitere Vereinbarungen mit dem Unterhaltsschuldner (z.B. die Stundung bestehender Rückstände) sowie der Abwehr geltend gemachter Unterhaltsreduzierungen.[520] Das Jugendamt ist im Rahmen der Beistandschaft beratend und unterstützend[521] als rechtlicher Vertreter des Kindes tätig, ohne dass dadurch die elterliche Sorge als solche berührt würde (§ 1716 BGB), d.h. das Jugendamt handelt grundsätzlich gleichberechtigt neben dem Elternteil, der den Antrag auf Einrichtung einer Beistandschaft gestellt hat. Lediglich im gerichtlichen Verfahren verdrängt die Beistandschaft die Vertretung durch den Elternteil (§§ 173, 234 FamFG).[522]

 

Rz. 153

Nach § 52a SGB VIII ist das Jugendamt verpflichtet, unmittelbar nach der Geburt eines Kindes, dessen Eltern nicht miteinander verheiratet sind, der Mutter die Möglichkeiten der Beratung und Unterstützung anzubieten bzw. auf die etwaige Beantragung einer Beistandschaft hinzuweisen. Diese Verpflichtung umfasst auch die Mutter eines neugeborenen Flüchtlingskindes.[523] Auf welche Einzelaspekte im Einzelnen hinzuweisen ist (z.B. die Bedeutung der Vaterschaftsfeststellung oder die Möglichkeit der gemeinsamen elterlichen Sorge – auch unter dem Blickwinkel der jeweiligen höchstrichterlichen Rechtsprechung)[524] ist in § 52a Abs. 2 Nr. 1 bis 5 SGB VIII enumeriert. Korrespondierend haben die Standesämter (§ 52a Abs. 4 SGB) und Familiengerichte (§ 52a Abs. 3 SGB) dem Jugendamt Mitteilung zu machen, soweit sie Kenntnis von einer familiären Situation erlangen, die die Einrichtung einer Beistandschaft rechtfertigt.

 

Rz. 154

Während der Dauer der Beistandschaft ist dem antragstellenden Elternteil in angemessenen Abständen Bericht über die jeweilige Tätigkeit zu geben, ohne dass allerdings eine Rechnungslegung erfolgen müsste oder für die Tätigkeit des Beistandes eine Aufwandsentschädigung oder Vergütung verlangt werden könnte. Auf Wunsch ist dem Elternteil Akteneinsicht zu gewähren. Ein Weisungsrecht gegenüber dem Beistand hat der antragstellende Elternteil aber nicht.[525] Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Beistand und dem Elternteil ist der Beistand berechtigt, sich allein an seiner Sachkunde zu orientieren.[526] Nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes kann dieses selbst gem. § 68 Abs. 3 SGB VIII ein Informationsrecht bezüglich der für seine Person gespeicherten Sozialdaten geltend machen. Besitzt das Kind die erforderliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit und stehen keine berechtigten Interessen Dritter entgegen, so kann das Informationsrecht gegebenenfalls auch bereits vor Eintritt der Volljährigkeit geltend gemacht werden.

 

Rz. 155

Die Beistandschaft wird entweder durch ein hierauf gerichtetes schriftliches Verlangen des ursprünglichen Antragstellers (§ 1715 Abs. 1 BGB) beendet oder wenn dieser nicht mehr die in § 1713 BGB für die ursprüngliche Antragstellung erforderlichen Voraussetzungen erfüllt (§ 1715 Abs. 2 BGB). Außerdem endet die Beistandschaft, wenn das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland begründet (§ 1717 BGB). Ist das Kind unbekannten Aufenthaltes, so ist die Beistandschaft solange fortzuführen, bis der Aufenthalt im Ausland feststeht.[527] Dem Jugendamt selbst steht keine Möglichkeit zur Beendigung der Beistandschaft zur Verfügung.

[514] BGBl 1997, Teil 1, S. 2846.
[515] Rütin, Beistandschaft – ein wi...

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