Rz. 369
Beispiel
Der Onkel O des 14-jährigen Neffen N hat auf das gesetzliche Erbrecht nach N verzichtet. N konnte den Verzichtsvertrag "nur" persönlich schließen; er bedurfte dazu nicht der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters (§ 2347 Abs. 2 S. 1 BGB). Seine Eltern konnten ihn nicht vertreten (siehe Rdn 362). Nunmehr wird der Verzichtsvertrag noch bei Minderjährigkeit des Neffen N vertraglich aufgehoben. O zählt wieder zu den gesetzlichen Erben des Milliardärs N.
Auf § 2347 Abs. 2 S. 2 BGB wird in § 2351 BGB verwiesen. Auch der noch geschäftsunfähige Minderjährige kann die Aufhebung seines Erbverzichtsvertrags, den er als Erblasser geschlossen hat, nur durch seinen gesetzlichen Vertreter vornehmen. Er bedarf der Genehmigung des Familiengerichts.
Die Vorschrift des § 2351 BGB verweist auf § 2347 Abs. 2 S. 1 1. Halbs. BGB: "Der Erblasser kann den Vertrag nur persönlich schließen; …". Als geschäftsbeschränkter Minderjähriger kann er als Erblasser nur "persönlich" einen Erbverzicht durch Vertrag aufheben.
§ 2351 BGB verweist nicht auf § 2347 Abs. 2 S. 1 2. Halbs. BGB. Im 2. Halbsatz wird gesagt: "… er bedarf nicht der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters." Dadurch, dass auf diese Regelung (explizit) nicht verwiesen wird, ist anzunehmen, dass der beschränkt geschäftsfähige Minderjährige die Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters (wie üblich) braucht, obgleich er sie für den Abschluss des Erbvertrags nicht gebraucht hat.
Auf das Erfordernis einer Genehmigung des Familiengerichts wird nicht verwiesen.
Rz. 370
Ist Vertragsgegner des Minderjährigen im Erbverzichtsvertrag z.B. der Vater, der auf sein gesetzliches Erbrecht nach seinem geschäftsbeschränkten Kind als Erblasser verzichtet hatte, und soll nun dieser Vertrag aufgehoben werden, so ist § 181 BGB zu beachten. Der beschränkt geschäftsfähige Erblasser konnte den Verzicht, z.B. seines Vaters, auf dessen gesetzliches Erbrecht nach ihm entgegennehmen, ohne dass er durch einen Ergänzungspfleger vertreten werden musste, denn das Rechtsgeschäft war für den Minderjährigen nur rechtlich vorteilhaft, so dass § 181 BGB nicht angewandt wird (siehe Rdn 363). Bei der Aufhebung dieses Erbverzichts wird aufgrund der Verweisung (siehe Rdn 369) aber der Minderjährige nur persönlich den Aufhebungsvertrag schließen. Die Anwendung des § 181 BGB entfällt damit.
Aufgrund der allgemeinen Regeln bedarf der Minderjährige der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters, da die Wiedergewinnung der Erwerbsaussicht des Vertragsgegners, im Beispiel des Vaters, für den Minderjährigen (als Erblasser) rechtlich nachteilig ist.
Rz. 371
Aufhebung des Zuwendungsverzichtsvertrags. Der vom mindestens 16-jährigen Erblasser durch Testament eingesetzte Erbe hat durch einen Erbverzicht auf die Zuwendung durch Testament verzichtet (siehe Rdn 367; § 2352 BGB). Nun soll dieser Zuwendungsverzicht durch Vertrag wieder aufgehoben werden (§ 2351 BGB), so dass die Erbeinsetzung/das Vermächtnis des minderjährigen Testators wieder in Kraft tritt.
Aufgrund der Verweisung in § 2351 auf § 2347 Abs. 2 S. 1 1. Halbs. BGB kann der Erblasser, der mindestens 16 Jahre alte Minderjährige, den Aufhebungsvertrag nur persönlich schließen. Er bedarf dazu keiner Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters. Der Gesetzeswortlaut sieht mangels einer Verweisung keine familiengerichtliche Genehmigungspflicht vor.
Der Vertrag, durch den ein Zuwendungsverzicht aufgehoben wird, bewirkt also, dass der Verzicht so beseitigt wird, als sei er nie vereinbart worden. Das hat zur Folge, dass die erbrechtliche Zuwendung, auf die verzichtet wurde, im Rahmen des Testaments des Minderjährigen wieder wirksam wird, ohne dass der minderjährige Erblasser erneut von Todes wegen verfügen müsste.
Rz. 372
Vom Aufhebungsvertrag gemäß § 2351 BGB, der ein abstraktes erbrechtliches Rechtsgeschäft darstellt, ist der Kausalvertrag zu solchem Aufhebungsvertrag, einem schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäft, zu unterscheiden. Er regelt die Verpflichtung zur Aufhebung des Erbverzichts und – praktischer Weise – die Frage, was mit einer eventuellen Abfindungsleistung, die dafür erbracht oder versprochen wurde und noch zu erbringen ist, geschehen soll: wenn sie nicht zurückgewährt werden muss, ist die Aufhebung unentgeltlich, aber keine Schenkung, so dass das Schenkungsverbot der §§ 1641, 1804 BGB nicht eingreift. Dieser Kausalvertrag bedarf analog §§ 2351, 2348 BGB der notariellen Beurkundung. Wurde die Form nicht beachtet, so wird dieser Mangel durch den notariell beurkundeten Aufhebungsvertrag hinsichtlich des Erbverzichts und der eventuellen Abfindungsleistung geheilt, gerade so wie der Erbverzichtsvertrag das formlos abgeschlossene Grundgeschäft heilt.
Rz. 373
Der Verpflichtungsvertrag zur Aufhebung des Erbverzichts einerseits und zur eventuellen Rückübertragung der Abfindungsleistung beurteilt sich nach den allgemeinen Regeln: Ist der Erblasser minderjährig, so erlangt er durch die Aufhebung des Verzichts eines Verwandten auf dessen geset...