Inga Leopold, Dr. iur. Jürgen Peter
Rz. 49
Eine Bindungswirkung hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen. Dies gilt auch dann, wenn der Betriebsrat gegenüber einer ordentlichen Kündigung Widerspruch erhebt. Der Arbeitgeber bleibt in seiner Entscheidung, ob er kündigen will oder nicht, frei. Die einzige Möglichkeit für den Betriebsrat, diese Kündigungsfreiheit des Arbeitgebers einzuschränken, besteht dann, wenn der Arbeitgeber dies mit dem Betriebspartner über § 102 Abs. 6 BetrVG in Form einer Betriebsvereinbarung vereinbart hat.
Rz. 50
Der Arbeitnehmer, dem gekündigt werden soll, kann rechtswirksam nicht vorab auf die Beteiligung des Betriebsrats an seiner Kündigung verzichten, da es sich um ein Recht des Betriebsrats handelt, zu jeder beabsichtigten Kündigung gehört zu werden und hier aus kollektivrechtlicher betrieblicher Sicht seine eigene Stellungnahme einzubringen. Eine andere Frage ist allerdings, ob ein Arbeitnehmer, der nach Bekanntwerden der Kündigungsabsicht gegenüber dem Arbeitgeber erklärt hat, auf die Anhörung des Betriebsrats verzichten zu wollen, sich im Anschluss daran im Laufe eines Kündigungsschutzprozesses wirksam auf die fehlende Anhörung berufen kann. Diese Frage wird streitig beantwortet. Gute Gründe sprechen dafür, dem Arbeitnehmer diese Berufungsmöglichkeit zu versagen, da es treuwidrig ist, erst "zu verzichten" und dann "den Verzicht auszunutzen". Andererseits ist der kündigende Arbeitgeber schlecht beraten, sich auf den Verzicht zu verlassen, sodass damit gerechnet werden muss, dass trotz einer entsprechenden "Verzichtserklärung" des Arbeitnehmers die Rspr. die Kündigung auch an § 102 BetrVG prüft. Der Betriebsrat sollte daher mindestens vorsorglich in jedem Fall auch dann nach § 102 BetrVG beteiligt werden, wenn der Arbeitnehmer zuvor auf die Anhörung "verzichtet" hat. Anderes gilt nur, wenn der Arbeitnehmer im Rahmen eines anhängigen Kündigungsschutzverfahrens zweifelsfrei an der Rüge der nicht ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats nicht mehr festhalten will. Da die gerichtliche Überprüfung der Wirksamkeit der Kündigung nur in dem Rahmen zu erfolgen hat, der sich aus §§ 4 S. 1, 13 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 6 S. 2 KSchG ergibt, kann der Kläger als "Herr des Verfahrens insoweit" den seiner Disposition unterstehenden Prozessstoff wirksam beschränken.
Rz. 51
Ein genereller Verzicht des Betriebsrats im Vorfeld von beabsichtigten Kündigungen ist betriebsverfassungsrechtlich unwirksam. Anders ist es jedoch, wenn der Betriebsrat nach Erhalt der Mitteilungen seitens des Arbeitgebers nach ordnungsgemäßer Beratung und Beschlussfassung sich dazu entschließt "zu verzichten", also keine Stellungnahme abzugeben. Hierbei liegt kein betriebsverfassungsrechtlich unwirksamer Vorabverzicht auf ein gesetzlich gewährtes Beteiligungsrecht vor. Der Betriebsrat reagiert im konkreten Fall dann nur in einer ihm zustehenden Variante durch verfahrensabschließende Erklärung.