Inga Leopold, Dr. iur. Jürgen Peter
Rz. 173
Hat der Arbeitgeber es unterlassen, den Betriebsrat anzuhören, oder hat er die Kündigung ausgesprochen, bevor das Anhörungsverfahren abgeschlossen war, ist die Kündigung aus betriebsverfassungsrechtlichen Gründen unwirksam (vgl. § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG). Will der Arbeitnehmer sich auf die Unwirksamkeit nach § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG berufen, dann muss er nach § 4 S. 1 KSchG innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim ArbG auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Unterlässt der Arbeitnehmer dies, dann gilt die Kündigung nach § 7 KSchG als von Anfang an rechtswirksam. Dem Arbeitnehmer ist es ab diesem Zeitraum verwehrt, sich im Kündigungsschutzprozess auf die betriebsverfassungsrechtliche Unwirksamkeit der Kündigung zu berufen. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn der Arbeitnehmer innerhalb der Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG Kündigungsschutzklage erhoben hat und dabei andere Unwirksamkeitsgründe (z.B. Gründe, die die Kündigung sozial ungerechtfertigt machen) vorgetragen hat. Dann kann er sich bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der I. Instanz zur Begründung der Unwirksamkeit der Kündigung auch auf innerhalb der Klagefrist des § 4 S. 1 KSchG nicht geltend gemachte Gründe (hier also: § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG) berufen. Unterlässt der Arbeitnehmer dies trotz eines Hinweises des ArbG nach § 6 S. 2 KSchG, ist die Berufung des Arbeitnehmers auf den Unwirksamkeitsgrund nach § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG endgültig nicht (mehr) möglich.
Rz. 174
Nimmt man an, dass der Arbeitnehmer sich innerhalb der Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG oder – nach § 6 KSchG – bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung I. Instanz prozessual auf die Unwirksamkeit berufen will, ist es hierfür erforderlich, dass der Arbeitnehmer sich im Kündigungsschutzprozess zur Frage der Betriebsratsanhörung ausdrücklich äußert. Tut er das nicht, hat der Arbeitgeber keine Veranlassung, seinerseits zu diesem Themenkreis Stellung zu nehmen. Eine Prüfung von Amts wegen findet nicht statt. Will der Arbeitnehmer also die Unwirksamkeit rügen, dann hat er substantiiert zur Frage der Betriebsratsanhörung vorzutragen. Insoweit genügt es zunächst, wenn der Arbeitnehmer nähere Umstände nicht kennt, dass er ohne nähere Substantiierung behauptet, dass ein Betriebsrat besteht und der Betriebsrat nicht oder nicht ordnungsgemäß angehört worden sei. Hat sich der Arbeitgeber bereits geäußert, etwa durch den simplen Satz: "Der Betriebsrat wurde angehört", genügt für den Arbeitnehmer, wenn er nähere Umstände nicht kennt, insoweit das Bestreiten mit Nichtwissen.
Rz. 175
Sind dem Arbeitnehmer allerdings nähere Umstände der Betriebsratsanhörung bekannt, etwa weil der Betriebsrat den Arbeitnehmer informiert hat oder der Arbeitgeber sein Anhörungsschreiben und die Stellungnahme des Betriebsrats dem Arbeitnehmer übermittelt hat, dann ist der Arbeitnehmer prozessual verpflichtet, seinen Kenntnisstand substantiiert darzulegen. In diesen Fällen hat der Arbeitgeber nun wiederum seinerseits in Abhängigkeit von dem Substantiierungsgrad des Arbeitnehmers im Einzelnen vorzutragen, dass und in welcher Weise die Anhörung stattgefunden hat, wann, wer und von wem der Betriebsrat unterrichtet worden ist und welche Informationen wem, wann und wie erteilt worden sind. Wenn sich der Arbeitgeber in diesem Sinne substantiiert und vollständig zur Anhörung des Betriebsrats äußert, dann ist es wiederum Angelegenheit des Arbeitnehmers, seinerseits substantiiert dazu Stellung zu nehmen, inwieweit das Vorbringen des Arbeitgebers unzutreffend ist. Der Arbeitnehmer darf sich nach einem entsprechenden Prozessvortrag des Arbeitgebers dann nicht mehr darauf beschränken, die ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung pauschal mit Nichtwissen zu bestreiten. Der Arbeitnehmer hat vielmehr im Einzelnen zu bezeichnen, ob er (weiterhin) rügen will, der Betriebsrat sei entgegen der Behauptung des Arbeitgebers überhaupt nicht angehört worden oder in welchen einzelnen Punkten er die tatsächlichen Erklärungen des Arbeitgebers über die Betriebsratsanhörung für falsch oder die dem Betriebsrat mitgeteilten Tatsachen für unvollständig hält. Unterlässt der Arbeitnehmer eine entsprechend erneute Substantiierung, dann hat der Arbeitgeber die ordnungsgemäße Anhörung, ohne dass es weiterer Ausführungen bedarf, hinreichend dargelegt. Kommt der Arbeitnehmer seinen Substantiierungspflichten hingegen nach, dann ist ergänzender und vertiefender Sachvortrag des Arbeitgebers erforderlich.
Rz. 176
Im Prozess hat also der Arbeitnehmer zunächst vorzutragen und erforderlichenfalls zu beweisen, dass ein funktionsfähiger Betriebsrat besteht. Ggf. (siehe oben) kann sich der Arbeitnehmer im Übrigen mit dem Bestreiten des Nichtwissens der danach erforderlichen Anhörung, deren Durchführung und Ordnungsgemäßheit beschränken. Mit dem Vortrag, dass ein (funktionsfähiger) Betriebsrat besteht, trägt der Arbeitnehmer auch vor, dass seine...