Inga Leopold, Dr. iur. Jürgen Peter
Rz. 100
Die dargestellten allgemeinen Anhörungsgrundsätze gelten auch bei einer Änderungskündigung. Orientiert sich der Arbeitgeber bei seinem Kündigungsentschluss an den Regeln des KSchG, dann hat er dem Betriebsrat nachvollziehbar mitzuteilen, welche Gründe die Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen sollen, für den Fall, dass der betroffene Arbeitnehmer das Änderungsangebot nicht annimmt, welche Arbeitsbedingungen dem betroffenen Arbeitnehmer angeboten werden sollen, und welche Überlegungen den Arbeitgeber dazu bewogen haben, gerade diese Arbeitsbedingungen anzubieten. Nur bei Kenntnis des Änderungsangebots kann der Betriebsrat die Tragweite der Kündigung insgesamt beurteilen und insbesondere prüfen, ob er Widerspruch erheben möchte. Bei der Anhörung sollte deutlich – ggf. auch drucktechnisch – herausgehoben werden, dass im Falle der Ablehnung des Änderungsangebots durch den Arbeitnehmer die Beendigungskündigung beabsichtigt ist.
Rz. 101
Zu beachten ist, dass neben der Anhörung zu einer Änderungskündigung in der Praxis oftmals auch eine Beteiligung des Betriebsrats gem. § 99 BetrVG in Betracht kommen kann, z.B. wegen einer Eingruppierung oder einer Versetzung. Wie bereits einleitend gesagt, können derartige doppelte oder mehrfache Beteiligungstatbestände sowohl in getrennten Verfahren als auch in verbundenen Verfahren durchgeführt werden. Wichtig ist nur, dass der Arbeitgeber darauf achtet, dass dem Betriebsrat mitgeteilt wird, für welche Beteiligungstatbestände er angehört bzw. beteiligt werden soll. In diesem Zusammenhang hat das Bundesarbeitsgericht festgestellt, dass eine ggf. erfolgende Verletzung des § 99 BetrVG ohne Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Änderungskündigung bleibt, unter der Voraussetzung, dass die Erfordernisse des § 102 BetrVG eingehalten wurden. Sollte diese Konstellation eintreten, die Änderungskündigung (betriebsverfassungsrechtlich und kündigungsschutzrechtlich) wirksam sein, die Versetzung hingegen wegen einer Verletzung des § 99 BetrVG nicht rechtmäßig sein, dann ist zu beachten, dass die Versetzung solange, bis die Zustimmung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG nicht erteilt oder durch die Arbeitsgerichtsbarkeit rechtskräftig ersetzt ist, auch individualrechtlich unwirksam ist, mit der Folge, dass der Arbeitnehmer trotz einer (betriebsverfassungsrechtlich und kündigungsschutzrechtlich unterstellten) Wirksamkeit der Änderungskündigung nicht zu den geänderten Bedingungen arbeiten muss.
Rz. 102
Kommt es zu der Fallkonstellation, dass der Arbeitgeber im Rahmen der Anhörung nach § 102 BetrVG offen lässt, ob er im Ergebnis eine Änderungskündigung oder eine Beendigungskündigung aussprechen will und steht in diesem Zusammenhang aber der Kündigungssachverhalt (identisch) für beide Alternativen fest und ist für den Arbeitgeber sicher, dass jedenfalls eine der beiden Kündigungen ausgesprochen werden soll, mithin die Entscheidung, welche Kündigung letztlich ausgesprochen wird, von der Reaktion des Arbeitnehmers abhängt, dann soll eine derartige "alternative" Anhörung nicht dem Schutzzweck des § 102 Abs. 1 BetrVG widersprechen. Anders ist jedoch dann zu entscheiden, wenn der Arbeitgeber den Betriebsrat (zunächst) über eine von ihm beabsichtigte Beendigungskündigung im Rahmen des § 102 Abs. 1 BetrVG informiert hat und sich später dann umentscheidet und "nur" eine Änderungskündigung aussprechen will, dann hat der Arbeitgeber in einer derartigen Konstellation das Beteiligungsverfahren gem. § 102 BetrVG erneut durchzuführen.