Inga Leopold, Dr. iur. Jürgen Peter
Rz. 243
Wie einleitend bereits dargelegt, findet das BetrVG nach § 118 Abs. 2 BetrVG dann keine Anwendung, wenn es sich bei dem zu beurteilenden Lebenssachverhalt um ein kirchliches Mitarbeiterverhältnis handelt. Dies gilt sogar unabhängig davon, in welcher Rechtsform die von § 118 BetrVG erfassten Einrichtungen tätig werden.
Liegt ein kirchliches Mitarbeiterverhältnis vor, dann sind die Regelungen der Mitarbeitervertretungen der evangelischen Kirche (MVG-EKG) oder diejenigen der katholischen Kirche (MAVO) anzuwenden. Die Verfahren sowohl der evangelischen Kirche als auch der katholischen Kirche orientieren sich "eher" an den Regelungen des BPersVG und "eher weniger" an den Regelungen des BetrVG.
Dessen ungeachtet sind aber auch hier "im Zweifel" die Grundsätze, die zu den entsprechenden Rechtsfragen bei § 102 BetrVG erörtert wurden (ggf. sinngemäß) entsprechend heranzuziehen.
Rz. 244
Das Mitarbeitervertretungsrecht der evangelischen Kirche unterscheidet bei der Mitarbeitervertretung die Beteiligungsformen Mitbestimmung (§ 38), eingeschränkte Mitbestimmung (§ 41) und Mitberatung (§ 45). Die §§ 39 und 40 MVG-EKG beschreiben die Fälle der Mitbestimmung, die §§ 42 und 43 MVG-EKG beschreiben die Fälle der eingeschränkten Mitbestimmung und § 46 MVG-EKG bezeichnet die Fälle der Mitberatung.
Rz. 245
Wird gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in den Anwendungsbereich des MVG fällt, seitens des Arbeitgebers beabsichtigt, eine ordentliche Kündigung auszusprechen und ist eine ggf. vereinbarte Probezeit des Mitarbeiters abgelaufen, dann gilt für die ordentlichen Kündigungen der Beteiligungstatbestand der eingeschränkten Mitbestimmung (vgl. §§ 41, 42 lit. b) MVG-EKG). Dieses eingeschränkte Mitbestimmungsrecht geht dabei weiter als das Anhörungsrecht nach § 102 BetrVG. Eine ordentliche Kündigung kann rechtswirksam nach Ablauf der Probezeit erst ausgesprochen werden, wenn die Zustimmung der Mitarbeitervertretung vorliegt oder durch das zuständige Kirchengericht ersetzt wurde (vgl. § 41 Abs. 2 und 3 i.V.m. § 38 Abs. 1 S. 1 MVG-EKG).
Die Mitarbeitervertretung ist dabei berechtigt, ihre Zustimmung zu verweigern, wenn die Kündigung gegen eine Rechtsvorschrift, eine arbeitsrechtliche Regelung, eine andere bindende Bestimmung oder eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung verstößt (vgl. § 41 Abs. 2 MVG-EKD). Daher ist die Mitarbeitervertretung auch berechtigt, geltend zu machen, dass eine beabsichtigte ordentliche Kündigung unwirksam sei, weil sie nach § 1 KSchG sozial ungerechtfertigt ist. Der materiellrechtliche Kündigungsstreit wird dann bereits auf die Ebene des kollektivrechtlichen Beteiligungsverfahrens vorgezogen.
Verweigert die Mitarbeitervertretung ihre Zustimmung, ohne sich dabei auf einen der im MVG-EKD genannten Gründe zu beziehen, dann ist eine entsprechende Zustimmungsverweigerung unbeachtlich. Die Zustimmung der Mitarbeitervertretung gilt dann mit Ablauf von zwei Wochen nach erfolgter Unterrichtung der Mitarbeitervertretung als erteilt, ohne dass es der Anrufung des Kirchengerichts bedarf.
Rz. 246
Ist beabsichtigt, eine außerordentliche Kündigung oder eine ordentliche Kündigung innerhalb der Probezeit auszusprechen, dann besteht nur ein Beteiligungstatbestand in Form eines Mitberatungsrechts der Mitarbeitervertretung gem. §§ 45, 46 lit. b) und c) MVG-EKD.
Rz. 247
Ebenso wie in den anderen Vertretungsordnungen (BetrVG, BPersVG, LPersVG) ist eine Kündigung dann, wenn die Mitarbeitervertretung nicht oder nicht ordnungsgemäß beteiligt worden ist, unwirksam.
Der besondere Kündigungsschutz der Mitglieder der Mitarbeitervertretung bei der evangelischen Kirche ist schließlich in § 21 Abs. 2 und 3 MVG-EKD geregelt.
Rz. 248
Unterfällt ein Arbeitsverhältnis den arbeitsrechtlichen Regelungen der katholischen Kirche, dann gilt kollektivrechtlich die Mitarbeitervertretungsordnung (MAVO).
Die für Kündigungen einschlägigen Regelungen finden sich insbesondere in den §§ 30, 30a und 31 MAVO.
§ 30 MAVO gilt für die ordentlichen Kündigungen. Bei ordentlichen Kündigungen ist die Mitarbeitervertretung anzuhören und sie hat ein Recht auf Mitberatung.
Nach § 30 Abs. 1 MAVO ist der Mitarbeitervertretung vor jeder ordentlichen Kündigung durch den Dienstgeber die Absicht der Kündigung schriftlich mitzuteilen. Wenn das Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt der beabsichtigten Kündigung bereits mindestens sechs Monate bestanden hat, dann hat der Dienstgeber auch die Gründe der beabsichtigten ordentlichen Kündigung darzulegen. § 30 Abs. 2 und 3 MAVO regeln dann unter Fristsetzung von einer Woche, dass die Mitarbeitervertretung gegen die beabsichtigte Kündigung in der MAVO benannte Einwendungsgründe erheben kann, wobei die Einwendungen der Schriftform und der Angabe der konkreten auf den Einzelfall bezogenen Gründe bedürfen (vgl. § 30 Abs. 2 und 3 MAVO).
Entschließt sich der Dienstgeber, die beabsichtigte ordentliche Kündigung umzusetzen, obwohl die Mitarbeitervertretung Einwendungen gem. § 30 Abs. 3 Nr. 1–5 MAVO erhoben hat, dann hat der Dienst...