Inga Leopold, Dr. iur. Jürgen Peter
1. Grundsätze und Grenzen
Rz. 66
Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat seine Absicht mitzuteilen, einem bestimmten Arbeitnehmer – oder mehreren Arbeitnehmern – zu kündigen. Hierbei ist es nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber den Betriebsrat ausdrücklich auffordert, zu der beabsichtigten Kündigung Stellung zu nehmen. Diese Aufforderung ergibt sich sinngemäß aus dem Gesetzeswortlaut des § 102 Abs. 2 BetrVG. Im Übrigen geht das BAG zutreffend davon aus, dass die Aufforderung zur Stellungnahme in aller Regel in der Mitteilung des Arbeitgebers über die Kündigungsabsicht zu sehen ist.
a) Kenntnis des Betriebsrats
Rz. 67
Im Rahmen des Anhörungsverfahrens gilt als allgemeiner Grundsatz, dass der Arbeitgeber den Betriebsrat nicht über diejenigen Umstände zu informieren hat, die dem Betriebsrat bereits bekannt sind. Für die Wissenszurechnung ist der Kenntnisstand der Personen entscheidend, die zur Entgegennahme von Erklärungen nach § 26 Abs. 3 S. 2 BetrVG berechtigt oder hierzu ausdrücklich ermächtigt sind. Kenntnis liegt oftmals bei den sog. Sozialdaten des Arbeitnehmers vor. Gerade in Zeiten computermäßig gestützter und erfasster Personalinformationssysteme mit bestehenden Zugangsrechten des Betriebsrats kann davon ausgegangen werden, dass der Betriebsrat diese Informationen bereits kennt.
Zu beachten ist jedoch, dass ein etwaiger Irrtum des Arbeitgebers zu dessen Lasten geht. Unterlässt es der Arbeitgeber, den Betriebsrat anzuhören, in der irrigen Annahme, der Betriebsrat sei bereits über den erforderlichen und aktuellen Sachverhalt informiert, dann liegt keine ordnungsgemäße Einleitung des Anhörungsverfahrens vor mit der Folge, dass § 102 Abs. 1 BetrVG nicht eingehalten ist.
b) Kenntnis des Arbeitnehmers
Rz. 68
Die Kenntnis des Arbeitnehmers von den Gründen, die den Arbeitgeber dazu bewegen, eine Kündigung auszusprechen, ist für § 102 BetrVG unerheblich. Abzustellen ist ausschließlich auf die Kenntnis des Betriebsrats. Diese Kenntnis kann natürlich durch Mitteilung des betroffenen Arbeitnehmers herbeigeführt werden. Der Arbeitgeber sollte sich hierauf nicht verlassen, da er auch hinsichtlich der Vorkenntnis des Betriebsrats darlegungs- und beweisbelastet ist.
c) Datenschutz
Rz. 69
Wie bei sonstigen Beteiligungstatbeständen des BetrVG gilt auch im Zusammenhang mit § 102 BetrVG, dass der Arbeitgeber sich nicht zur Einschränkung seiner Mitteilungspflichten auf datenschutzrechtliche Tatbestände gegenüber dem Betriebsrat berufen kann. Dies ergibt sich schon daraus, dass der Betriebsrat seinerseits den gesetzlichen Bindungen und insbesondere einer speziellen strafbewehrten betriebsverfassungsrechtlichen Verschwiegenheitspflicht unterliegt (vgl. §§ 79, 120 BetrVG).
2. Art der Kündigung und Kündigungsabsicht
Rz. 70
Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat seine Absicht mitzuteilen, einem bestimmten Arbeitnehmer – oder ggf. mehreren Arbeitnehmern – kündigen zu wollen. Es muss für den Betriebsrat erkennbar sein, dass es sich um eine Beteiligung nach § 102 Abs. 1 BetrVG handelt. Unabdingbar ist die Mitteilung, ob eine ordentliche oder eine außerordentliche Kündigung beabsichtigt ist. Wenn der Arbeitgeber neben einer außerordentlichen Kündigung vorsorglich oder hilfsweise eine ordentliche Kündigung aussprechen will, dann muss er den Betriebsrat hierauf deutlich hinweisen, denn die Anhörung zu einer außerordentlichen Kündigung ersetzt nicht die Anhörung zu einer vorsorglichen/hilfsweise beabsichtigten ordentlichen Kündigung. Bei einer Änderungskündigung ist dem Betriebsrat auch das Änderungsangebot mitzuteilen. Besteht für den zu kündigenden Arbeitnehmer Sonderkündigungsschutz, dann gehört zur ordnungsgemäßen Anhörung eine entsprechende Unterrichtung des Betriebsrats auch insoweit.
3. Kündigungsfrist, Kündigungszeitpunkt und Kündigungstermin
Rz. 71
Nach der Rspr. ist zwischen Kündigungsfrist und Kündigungstermin zu unterscheiden. Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat grundsätzlich die Kündigungsfrist mitteilen; etwas anderes gilt, wenn der Betriebsrat über die tatsächlichen Umstände für die Berechnung der Kündigungsfrist unterrichtet ist. Soweit der Arbeitgeber von einer unzutreffenden Kündigungsfrist ausgeht, führt dies nach der Rspr. für sich allein noch nicht zur fehlerhaften Anhörung des Betriebsrats und damit nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung. Die Angabe des konkreten Kündigungstermins kann i.d.R. nicht verlangt werden, zumal zum Zeitpunkt der Anhörung nicht mit Sicherheit feststeht, zu welchem Zeitpunkt die beabsichtigte Kündigung zugehen wird. Der Zeitpunkt aber, zu dem die Kündigung beabsichtigt ist, sollte angegeben werden. Jedenfalls darf der Arbeitgeber nicht völlig offenlassen, wann, unter Einhaltung welcher Frist und zu welchem Zeitpunkt die Kündigung ausgesprochen werden soll. Ist es dem Arbe...