Dr. iur. Kerstin Diercks-Harms, Dr. iur. Rüdiger Brodhun
A. Zustellung und Fristennotierung
Rz. 1
Kommt das Einlegen einer Berufung in Betracht – gleichgültig, ob es sich um ein bestehendes oder um ein neues Mandat handelt –, sind zuerst Fristen zu notieren. Bei einer Urteilszustellung gegen Empfangsbekenntnis, § 174 ZPO, ist für den Fristbeginn maßgebend, wann der Rechtsanwalt das Schriftstück unterschrieben hat und es damit als zugestellt gegen sich gelten lassen will. Das von einem Rechtsanwalt elektronisch abgegebene Empfangsbekenntnis erbringt dem Gericht den vollen Beweis für die Entgegennahme des Dokuments als zugestellt und für den Zeitpunkt dieser Entgegennahme, § 173 Abs. 3 S. 1 ZPO. Der Gesetzgeber hat daran festgehalten, den Nachweis der Zustellung an ein voluntatives Element des Rechtsanwalts zu knüpfen und hierfür nicht allein die automatisierte Eingangsbestätigung ausreichen zu lassen.
Aktuell hat der BGH in einer Leitsatzentscheidung klargestellt, wann Dokumente, die im beA eines Anwalts eingehen, als zugestellt gelten: Maßgeblich ist nicht der Tag, an dem das Empfangsbekenntnis an das Gericht übermittelt wurde, sondern vielmehr das Datum, das auf dem Bekenntnis vermerkt wurde. Denn die Abgabe des elektronischen Empfangsbekenntnisses setzt die Willensentscheidung des Empfängers voraus, das elektronische Dokument an dem eingetragenen Zustellungsdatum als zugestellt entgegenzunehmen. Das von einem Rechtsanwalt elektronisch abgegebene Empfangsbekenntnis beweist daher nicht nur die Zustellung selbst, sondern auch den Zeitpunkt der Zustellung.
Neben der Frist von einem Monat zum Einlegen der Berufung nach § 517 ZPO und der Frist von zwei Monaten für die Berufungsbegründung gemäß § 520 Abs. 2 S. 1 ZPO ist eine Frist von zwei Wochen für den Tatbestandsberichtigungsantrag, § 320 Abs. 1 ZPO, in den Kalender einzutragen sowie jeweils entsprechende Vorfristen. Ist zweifelhaft, ob der Beschwerdewert von über 600,00 EUR erreicht wird, ist zudem eine zweiwöchige Frist für das Einlegen einer Gehörsrüge gemäß § 321a Abs. 2 S. 1 ZPO zu vermerken.
Rz. 2
Erst danach empfiehlt sich die inhaltliche Bearbeitung der Angelegenheit. Hierzu gehört zunächst, dem Mandanten das Urteil umgehend kommentiert zu übermitteln und ihn zu bitten, den Tatbestand des Urteils (möglichst binnen Wochenfrist) auf inhaltliche Richtigkeit zu prüfen.
B. Tatbestandsberichtigungsantrag
Rz. 3
"Auslassungen, Dunkelheiten oder Widersprüche" oder sonstige Unrichtigkeiten im Tatbestand eines Urteils werden vom Gericht nur auf Antrag berichtigt, § 320 Abs. 1 ZPO. Die Berichtigung muss innerhalb einer Frist von zwei Wochen schriftsätzlich beantragt werden. Die Frist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, § 320 Abs. 1 und 2 S. 1 ZPO.
Rz. 4
Weil der Tatbestand die vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel nur ihrem wesentlichen Inhalt nach knapp darstellt und wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf Schrift-sätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden soll, § 313 Abs. 2 ZPO, kommt dem Tatbestand damit keine negative Beweiskraft zu, soweit es sich um die durch Schriftsätze vorgebrachten Behauptungen handelt. Ist der Tatbestand unvollständig, schadet dies also nicht.
Rz. 5
Ungefährlich in Bezug auf die anwaltlichen Sorgfaltspflichten sind auch im Urteil vorkommende Schreib- und Rechnungsfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, zumal diese jederzeit vom Gericht auch von Amts wegen zu berichtigen sind, § 319 ZPO.
Rz. 6
Weil die Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils aber (positive) Beweiskraft entfalten, soweit sich der Tatbestand zu bestimmten Tatsachen verhält, muss die Fehlerhaftigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen mit dem Tatbestandsberichtigungsantrag geltend gemacht werden, wenn Berufung eingelegt werden soll oder nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Gegenpartei Berufung einlegt. Es muss nämlich verhindert werden, dass die falschen oder widersprüchlichen Feststellungen für das Berufungsgericht bindend werden.
Rz. 7
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist das Revisionsgericht an die beanstandete tatbestandliche Feststellung gebunden, auch wenn sich diese in den Entscheidungsgründen befindet, weil die betreffende Partei es versäumt hat, einen Tatbestandsberichtigungsantrag zu stellen. Zum Tatbestand gehört auch...