Cordula Schah-Sedi, Michel Schah-Sedi
a) Berufsunfähigkeit, konkrete Verweisungsklausel
Rz. 132
Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person
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infolge von Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechenden Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, |
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voraussichtlich auf Dauer
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ihren zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, nicht mehr zu mindestens … % ausüben kann |
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und auch keine andere Tätigkeit ausübt, die ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht. |
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Rz. 133
Leistungen des Versicherers werden immer ab einem bestimmten Grad der Berufsunfähigkeit geleistet. Meistens wird die 50 %-Klausel verwendet. Konkret heißt dies, dass der Versicherer erst ab einer Berufsunfähigkeit von 50 % leistet. Unterhalb dieses Grades werden keinerlei Leistungen erbracht. Naturgemäß führen derartige Verträge zu häufigem Streit, da Versicherer oftmals bei der Prüfung des Grades der Berufsunfähigkeit zu dem Ergebnis gelangen, dass lediglich eine 48 %ige Berufsunfähigkeit gegeben ist – nicht jedoch 50 %. In diesem Fall kann es für den Versicherungsnehmer nur Hopp oder Topp heißen, d.h. wenn er z.B. über eine Rechtsschutzversicherung oder ausreichend finanzielle Möglichkeiten verfügt, sollte er in Zusammenarbeit mit Fachärzten und Fachanwälten prüfen lassen, ob ihm eine Klage weiterhilft, da er schon bei einer 2 %igen Erhöhung des Grades der Berufsunfähigkeit die volle Leistung erhält. Aus diesem Grund sind ca. 40 % bis 60 % der gerichtlichen Streitfälle auch sog. 50:50-Klauselfälle.
Praxistipp
Die Erfahrung zeigt, dass bei einer gerichtlichen Überprüfung in diesen Fällen große Erfolge erzielt werden können, möglicherweise auch durch einen vernünftigen Vergleich, denn naturgemäß gibt es keine alleinige mathematische Wahrheit bei der Feststellung der jeweiligen Prozente der Berufsunfähigkeit. Gerade im Bereich der medizinischen Gutachten gibt es erhebliche Abweichungen nach unten oder nach oben, je nachdem aus welchem Blickwinkel die Sache betrachtet wird.
Praxistipp
Schon bei Abschluss eines BUZ-Vertrages empfiehlt es sich nicht, die 50:50-Klausel zu verwenden, sondern stattdessen eine sog. 25:75-Klausel zu vereinbaren. Dies bedeutet, dass bis zu 25 % Berufsunfähigkeit keine Leistung fällig ist, jedoch bereits ab 25 % Teilleistungen fällig werden. Durch den Abschluss einer solchen Klausel wird viel Streit vermieden und außergerichtlich hier oftmals eine Einigung erzielt.
Rz. 134
Da die Frage der Berufsunfähigkeit auch davon abhängt, dass die versicherte Person tatsächlich auch keine andere Tätigkeit ausübt, die ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht, spricht man von der sog. konkreten Verweisungsklausel.
Praxistipp
Verliert der Konzertpianist drei Finger seiner Hand, wird er sicherlich als Konzertpianist berufsunfähig sein. Wird er nunmehr als Konzertdirigent tätig, wird eine Berufsunfähigkeit ausscheiden, da seine bisherige Lebensstellung als Konzertpianist durch die Tätigkeit als Dirigent nicht beeinträchtigt sein sollte.
b) Berufsunfähigkeit, abstrakte Verweisungsklausel
Rz. 135
Schlechtere Bedingungen enthalten keine konkrete, sondern eine abstrakte Verweisungsklausel. In diesem Fall findet sich folgende Regelung in Ziff. 2 (1) ABB:
Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person
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infolge von Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechenden Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, |
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voraussichtlich auf Dauer
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ihren zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, nicht mehr zu mindestens … % ausüben kann |
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und außerstande ist, eine andere Tätigkeit auszuüben, zu der sie aufgrund ihrer Ausbildung und Fähigkeit in der Lage ist und die ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht. |
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Rz. 136
Die abstrakte Verweisungsklausel macht den Eintritt der Berufsunfähigkeit nicht von der tatsächlichen Ausübung abhängig. Vielmehr genügt die theoretische Möglichkeit, einen anderen Beruf auszuüben. Dass dieser konkret im Sinne eines Jobangebotes in der Nähe vorhanden sein muss, ist nicht Voraussetzung. Voraussetzung ist lediglich, dass die versicherte Person aufgrund ihrer Ausbildung und Fähigkeit in der Lage ist, diesen Beruf auszuüben und er der bisherigen Lebensstellung entspricht.
Praxistipp
Verliert der Konzertpianist drei Finger seiner Hand, wird er sicherlich als Konzertpianist berufsunfähig sein. Kann er aufgrund seiner Ausbildung und Fähigkeit auch als Konzertdirigent arbeiten, kann der Versicherer ihn auf diesen Beruf verweisen mit der Folge, dass eine Berufsunfähigkeit nicht eingetreten ist. Dass die Tätigkeit als Konzertdirigent seiner bisherigen Lebensstellung als Konzertpianist entspricht, wird in diesem Beispiel unterstellt.