Rz. 112
Der aus AGB-rechtlicher Sicht weit gefasste Tatbestand könnte andeuten, dass tatsächlich sämtliche Transportkosten, die im Einzelnen nicht definiert sind, von der in Rede stehenden Ziffer erfasst sind. Dies ist aber nicht gewollt. In der Literatur wird bisweilen angeführt, dass nach Ziff. 4.4.2.2 Versicherungsschutz für sog. äußere Transportkosten gewährt wird. Damit gemeint sind die Kosten für den Weitertransport vom Erfüllungsort der ursprünglichen Leistung des Versicherungsnehmers zum Ort des Austausches selbst. Demgegenüber sind die sog. inneren Transportkosten, die Kosten für den Transport mangelfreier Erzeugnisse an den ursprünglichen Erfüllungsort, nicht versichert.
Beispiel
Ein Zulieferer von Schalthebeln liefert diese von Wuppertal zum Endhersteller von Pkws nach Stuttgart. Dort werden die Schalthebel mit dem Getriebe verbunden und die Pkws schließlich über den Handel an die Verbraucher ausgeliefert. Es stellt sich heraus, dass das Zulieferprodukt mangelhaft ist und ausgetauscht werden muss. Den Austausch nehmen Werkstätten des Endherstellers (weltweit) vor.
Rz. 113
Nach den in der Literatur geäußerten Auffassungen wären nicht die Kosten für die Lieferung des Zulieferers von Wuppertal nach Stuttgart, sondern nur die Kosten des Weitertransportes an die Werkstätten gedeckt. Dies klingt in Einzelfällen recht klar und einfach.
Beispiel
Der Versicherungsnehmer in Hannover hat Edelstahl-Absperrschieber zum Einbau in Rohrleitungen an seinen Abnehmer in Rostock geliefert. Der Abnehmer errichtet ein Kraftwerk in Norditalien für die dortige Betreibergesellschaft und verwendet hierfür die Absperrschieber. Wegen eines Materialfehlers weisen die Schieber nach kurzer Einsatzdauer Korrosionen auf und müssen ausgetauscht werden. Die neuen mangelfreien Absperrschieber werden nach Rostock transportiert (letzteres ist nicht versichert) und von dort aus nach Norditalien (letzteres wäre dann nach Auffassung der Literatur gedeckt als Kosten für den Transport vom Erfüllungsort der ursprünglichen Leistung des Versicherungsnehmers zum Orte des Austauschs).
Rz. 114
Bedenken Sie aber, dass sich die Versicherungsbedingungen an einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer richten. Der Rückschluss aus der Formulierung "mit Ausnahme solcher …" könnte im Umkehrschluss dazu führen, dass der durchschnittliche Versicherungsnehmer annimmt, die Kosten für den Transport seien "weit" zu verstehen.
Rz. 115
An dieser Stelle sollen die Schwierigkeiten nur angedeutet werden. Gewollt ist vonseiten der Versicherungswirtschaft etwas anderes. Gedeckt sein sollen mit dem Begriff der "Kosten für den Transport" in Ziff. 4.4.2.2 an sich nur die Kosten, die für den sog. Weitertransport (vom Erfüllungsort der ursprünglichen Leistung des Versicherungsnehmers zum Ort des Austauschs) anfallen. Ob dies unter Einbeziehung der Regelungen der §§ 307 ff. BGB wirksam geglückt ist, kann an dieser Stelle nicht abschließend beurteilt werden. Es fragt sich aber, warum nicht zumindest der Begriff der "Kosten des Weitertransports" einschränkend in Ziff. 4.4.2.2 integriert worden ist. Insofern hilft m.E. auch nicht der Hinweis, dass die Ausgangssituation für Ziff. 4.4.2.2 diejenige ist, dass das Gesamtprodukt eines Dritten mangelhaft ist und dieses Erzeugnis, das mangelhafte Erzeugnis des Versicherungsnehmers, darin eingebaut wurde.
Rz. 116
Nichts anderes gilt für das Verhältnis des S. 2 zum S. 1 der Ziff. 4.4.2.2. Bezogen auf die mögliche Auslegung, die sich einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer aufdrängt, habe ich vorangegangen hervorgehoben, dass man den Begriff weit auslegen könnte und unter den Gesamtkosten "für den Transport mangelfreier Erzeugnisse und mangelfreier Produkte" eben die im Ausnahmetatbestand enthaltenen – aber ihrerseits nicht ganz klar geregelten – Ausnahmen – materiell – abziehen könnte. Dann würde ergänzend S. 2 eingreifen. Insofern müsste zu der – möglichen – Auslegung dann S. 2 als ergänzender Tatbestand verwandt werden. Aber auch dies ist wiederum nicht eindeutig: So wird in der Literatur vertreten, dass S. 2 eine "spezielle Regelung für den Direkttransport" darstellen würde. S. 2 wird nach dieser Auffassung tatsächlich in den Fällen, in denen ein Direkttransport vorliegt, als Spezialfall gehandelt. Für das Eingreifen müssten eben immer zwei sich ergänzende Wege als Alternative in Betracht kommen: Entweder der Weg vom Versicherungsnehmer oder von dem nachliefernden Dritten zum ursprünglichen Erfüllungsort, oder der Weg vom Erfüllungsort zum Austauschort. Die Kosten des Direkttransports sind danach versichert, wenn sie gegenüber dem gedeckten Transport vom Erfüllungsort zum Austauschort niedriger, der Direkttransport also demgegenüber kostengünstiger ist. Mit anderen Worten: Die Kosten des günstigeren Direkttransports sind in vollem Umfang versichert. Wenn es dann aber – in konsequenter Anwendung – in der Literatur heißt, dass es bei der Frage der "Kostengünstigkeit" nur um einen Vergleich mit gedec...