Rz. 149

Die Revision war unzulässig, weil die Zulassungsentscheidung unstatthaft und verfahrensrechtlich nicht bindend war.

Das Revisionsgericht ist gemäß § 543 Abs. 2 S. 2 ZPO grundsätzlich an die Zulassung auch dann gebunden, wenn die seitens des Berufungsgerichts für maßgeblich erachteten Zulassungsgründe aus Sicht des Revisionsgerichts nicht vorliegen. Durfte die Zulassung dagegen verfahrensrechtlich überhaupt nicht ausgesprochen werden, ist sie unwirksam. Das gilt auch für eine prozessual nicht vorgesehene nachträgliche Zulassungsentscheidung, die die Bindung des Gerichts an seine eigene Endentscheidung gemäß § 318 ZPO außer Kraft setzen würde. So kann die versehentlich unterlassene Zulassung nicht durch ein Ergänzungsurteil gemäß § 321 ZPO nachgeholt werden. Befasst sich das Berufungsurteil nämlich nicht ausdrücklich mit der Zulassung, spricht es damit aus, dass die Revision nicht zugelassen wird, und zwar auch dann, wenn das Berufungsgericht die Möglichkeit der Zulassung gar nicht bedacht hat. Auch die Zulassung in einem Berichtigungsbeschluss gemäß § 319 ZPO bindet das Revisionsgericht nicht, wenn sich aus dem Urteil selbst keine – auch für Dritte erkennbare – offenbare Unrichtigkeit ergibt. Nichts anderes gilt, wenn das Berufungsgericht – wie hier – seine bewusste Entscheidung, die Revision nicht zuzulassen, verfahrensfehlerhaft aufgrund einer Anhörungsrüge gemäß § 321a ZPO ändert.

 

Rz. 150

Die Entscheidung des Berufungsgerichts war schon deshalb verfahrensfehlerhaft, weil es nicht durch Beschluss entscheiden durfte, sondern gemäß § 321a Abs. 5 S. 2 ZPO erneut in die mündliche Verhandlung hätte eintreten und gemäß § 321a Abs. 5 S. 3 ZPO i.V.m. § 343 ZPO durch Urteil entscheiden müssen. Ob dies für sich genommen einer wirksamen Zulassung entgegenstand, konnte offen bleiben. Denn auch in der Sache lagen die Voraussetzungen für eine Entscheidung gemäß § 321a ZPO nicht vor.

 

Rz. 151

Die Anhörungsrüge räumt dem Gericht keine umfassende Abhilfemöglichkeit ein, sondern dient allein der Behebung von Verstößen gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör. Daran fehlte es hier. Die unterbliebene Zulassung der Revision als solche kann den Anspruch auf rechtliches Gehör nicht verletzen, es sei denn, auf die Zulassungsentscheidung bezogener Vortrag der Parteien ist verfahrensfehlerhaft übergangen worden. Art. 103 Abs. 1 GG soll sichern, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, die auf mangelnder Kenntnisnahme oder Erwägung des Sachvortrags der Prozessbeteiligten beruhen. Sein Schutzbereich ist auf das von dem Gericht einzuhaltende Verfahren, nicht aber auf die Kontrolle der Entscheidung in der Sache gerichtet.

 

Rz. 152

Entgegen der Auffassung des Landgerichts lag offensichtlich keine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor, die für die Ablehnung der Zulassung im Urt. v. 20.11.2013 erheblich war. Gemäß dem Protokoll hatte der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung am 20.11.2013 beantragt, die Revision gegen ein Urteil der Kammer zuzulassen. Am Schluss der Sitzung hat das Landgericht sein Urteil verkündet und die Revision nicht zugelassen. Die Begründung des Urteils zeigte, dass das Landgericht bewusst die Nichtzulassungsentscheidung getroffen hatte, weil es in anderer Sache mit identischer Rechtsfrage die Revision zugelassen hatte. Unter diesen Umständen war offensichtlich, dass nicht ein Klägervortrag übergangen wurde, welcher für die Zulassungsentscheidung erheblich wurde. Die Annahme einer Gehörsverletzung im Beschluss des Landgerichts diente offensichtlich nur dazu, eine fehlerhafte Zulassungsentscheidung zu korrigieren, ohne dass die Voraussetzungen für eine Gehörsverletzung im Sinne des § 321a ZPO gegeben waren. Zwar hatte der Kläger mit seiner "Gehörsrüge" auch eine Verletzung des Grundrechts aus Art. 3 Abs. 1 GG geltend gemacht und kann auch eine willkürlich unterbliebene Zulassung den Anspruch auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG verletzen sowie den Anspruch auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes berühren (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip). Die Verletzung dieser Verfahrensgrundrechte kann aber nicht Gegenstand der auf Gehörsverstöße beschränkten Anhörungsrüge sein.

 

Rz. 153

Die Zulassungsentscheidung führte auch nicht als Entscheidung über eine analog § 321a ZPO erhobene Rüge der Verletzung anderer Verfahrensgrundrechte zu einer bindenden Zulassung der Revision.

 

Rz. 154

Allerdings hat der Bundesgerichtshof die auf eine Gegenvorstellung hin ausgesprochene Zulassung der Rechtsbeschwerde in analoger Anwendung von § 321a ZPO unter der Voraussetzung für zulässig erachtet, dass die Zulassung zuvor willkürlich unterblieben war, und hat dies aus dem Anspruch des Beschwerdeführers auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG hergeleitet. Dies kam hier in Betracht, weil das Berufungsgericht in einem am gleichen Tag verhandelten Rechtsstreit mit identischer Rechtsfrage die Revision zugelassen hatte.

 

Rz. 155

Die Rechtsprechung zur nachträg...

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