Rz. 215
Das angefochtene Urteil hielt revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts unterlag die vom Kläger vorgelegte Videoaufzeichnung keinem Beweisverwertungsverbot.
Im Ergebnis zutreffend war das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass die streitgegenständliche Videoaufzeichnung nach den geltenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen unzulässig war. Die Aufzeichnung verstieß gegen § 4 Abs. 1 BDSG, da sie ohne Einwilligung der Betroffenen erfolgt war und nicht auf § 6b Abs. 1 BDSG oder § 28 Abs. 1 BDSG gestützt werden konnte.
Rz. 216
Es ist in Literatur und Rechtsprechung streitig, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen Aufzeichnungen mit einer Dashcam datenschutzrechtlich zulässig sind.
Der Senat folgt einer differenzierten Lösung, die der vom Gesetz gebotenen Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Möglichkeiten des Datenschutzes durch Technikgestaltung (vgl. § 9 BDSG, zukünftig Art. 25 DS-GVO) Rechnung trägt.
Rz. 217
Die Videoaufzeichnung mittels einer Dashcam, auch während der Fahrt, unterliegt dem Regelungsregime des Bundesdatenschutzgesetzes. Es kann offenbleiben, ob sie an § 6b Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BDSG oder § 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSG zu messen ist, da die Voraussetzungen der genannten Erlaubnistatbestände jeweils nicht erfüllt sind; jedenfalls eine permanente anlasslose Aufzeichnung des gesamten Geschehens auf und entlang der Fahrstrecke des Klägers ist zur Wahrnehmung seiner Interessen im Sinne beider Normen nicht erforderlich und deshalb gemäß § 4 Abs. 1 BDSG nicht zulässig.
Der Senat brauchte im Ergebnis nicht zu entscheiden, ob sich eine Befugnis zur mobilen Videoaufzeichnung mittels Dashcam aus § 6b Abs. 1 BDSG oder aus § 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSG ergeben kann.
Rz. 218
Beide Erlaubnissätze kommen grundsätzlich in Betracht. Bei den Straßen, die vom Kläger befahren wurden, handelt es sich um öffentlich zugängliche Räume im Sinne von § 6b BDSG. Die Dashcam stellt eine optisch-elektronische Einrichtung dar. Vieles spricht dafür, dass § 6b BDSG nicht nur die Videoüberwachung mit ortsfesten Kameras regelt. Dies kann jedoch offen bleiben. Bestimmt sich die Zulässigkeit nicht nach § 6b BDSG, ist § 28 Abs. 1 Nr. 1 BDSG heranzuziehen. Bei der Aufzeichnung zur Sicherung von Beweismitteln für den Fall eines Verkehrsunfalls handelt es sich um eigene Geschäftszwecke im Sinne dieser Norm. Denn darunter werden alle Zwecke einer nicht-öffentlichen Stelle verstanden, die sich nicht ausschließlich im persönlichen oder familiären Bereich im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 3 BDSG bewegen.
Rz. 219
Beide Erlaubnissätze verlangen die Erforderlichkeit der Datenerhebung im Sinne eines zumutbaren mildesten Mittels; denn es ist technisch möglich, die dauerhafte Aufzeichnung zu vermeiden und lediglich eine kurzzeitige anlassbezogene Speicherung im Zusammenhang mit einem Unfallgeschehen vorzunehmen. Dass die vorhandenen technischen Möglichkeiten, die Persönlichkeitsrechte Dritter zu schützen ("Privacy by design"), hier nicht genutzt wurden, führte dazu, dass die schutzwürdigen Interessen der anderen Verkehrsteilnehmer mit ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung im Streitfall die genannten Interessen des Klägers überwogen.
Rz. 220
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nahm die im Fahrzeug des Klägers installierte Kamera regelmäßig über einen Zeitraum von ca. vier Stunden ohne konkreten Anlass auf, nicht nur für den Fall eines Unfalls. Die vorgelegte 40 Sekunden lange Aufnahme war Teil einer davor begonnenen Aufzeichnung. Durch eine solche permanente Aufzeichnung wird regelmäßig eine Vielzahl von Personen in kurzer Zeit in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht betroffen. Es wird festgehalten, wann ein Betroffener sich an einem bestimmten Ort, mit welchem Verkehrsmittel, ggf. in welcher Begleitung oder in welcher Verfassung aufhält. Eine weite Verbreitung dieser Aufzeichnungsmöglichkeiten durch Dashcams im Straßenverkehr könnte bei entsprechender technischer Gestaltung bis hin zur Erstellung von Bewegungsprofilen zahlreicher Verkehrsteilnehmer ausgebaut werden und den Aufenthalt in der Öffentlichkeit unter einen dauernden Überwachungsdruck stellen, insbesondere durch die Speicherung, Zusammenführung und bleibende Verfügbarkeit der Aufnahmen. Diese Daten werden aber für eine Unfallrekonstruktion größtenteils nicht benötigt. Im Hinblick auf die angesprochenen technischen Möglichkeiten der Beschränkung des Eingriffs in das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Verkehrsteilnehmer durch kurzzeitige, anlassbezogene Aufzeichnungen, die erst bei Kollision oder starker Verzögerung des Fahrzeugs durch einen Bewegungssensor ausgelöst werden, ggf. durch Verpixelung von Personen, automatisiertes und dem Eingriff des Verwenders entzogenes Löschen (vgl. Bretthauer, Intelligente Videoüberwachung, 2017, S. 226 ff.) kommt eine Güterabwägung zugunsten des Dashcambetreibers überhaupt nur in Betracht, wenn seine Kamera solche (Daten)Schutzmechanismen aufweist. Welche Voraus...