Eberhard Rott, Dr. Michael Stephan Kornau
Rz. 33
Die treuhänderische Fortführung eines Unternehmens durch den Testamentsvollstrecker gestaltet sich aufgrund der unterschiedlichen Implikationen von Erbrecht einerseits und Handels- und Gesellschaftsrecht andererseits bereits auf der zivilrechtlichen Ebene überaus kompliziert (siehe § 17 Rdn 22). Die steuerliche Seite ist nicht weniger unübersichtlich. Während die umsatzsteuerliche Beurteilung der Vollrechtstreuhand an einem einzelkaufmännischen Unternehmen durch die höchstrichterliche Rechtsprechung als geklärt angesehen werden kann, zeichnet sich für die Ertragsteuern nur eine Tendenz zur korrekten Behandlung ab. Die steuerlichen Folgen der Treuhandlösung sollen daher für die wesentlichen Steuerarten nachfolgend im Überblick dargestellt werden.
I. Umsatzsteuer
Rz. 34
Führt der Testamentsvollstrecker ein einzelkaufmännisches Unternehmen als Vollrechtstreuhänder, tritt er auch im Außenverhältnis als Unternehmer auf. Das Umsatzsteuerrecht folgt insoweit den im Außenverhältnis begründeten schuldrechtlichen Leistungsbeziehungen – Unternehmer mit allen umsatzsteuerlichen Konsequenzen ist demnach (auch) der Testamentsvollstrecker.
Rz. 35
Die Begründung einer Vollrechtstreuhand an einem einzelkaufmännischen Unternehmen bleibt als solche ohne umsatzsteuersteuerliche Konsequenzen, da das wirtschaftliche Eigentum bei dem oder den Treugeber-Erben verbleibt. Liefert der Vollrechtstreuhänder bzw. Testamentsvollstrecker sodann die zunächst im wirtschaftlichen Eigentum des bzw. der Treugeber-Erben verbliebenen Gegenstände an Dritte weiter, werden umsatzsteuerlich Lieferungen des bzw. der Treugeber-Erben an den Vollrechtstreuhänder bzw. Testamentsvollstrecker und von diesem an die Endabnehmer angenommen (§ 3 Abs. 3 UStG). Gleiches gilt für die Erbringung sonstiger Leistungen (§ 3 Abs. 11 UStG).
Rz. 36
Hieraus folgt, dass auch der oder die Treugeber-Erbe(n) zumindest im Rahmen der Begründung der Treuhandschaft originär Unternehmer im Sinne des UStG werden, denn derivativ können sie die nicht vererbliche Unternehmereigenschaft nicht erworben haben. Ebenso bleibt die Auflösung der Vollrechtstreuhandschaft hinsichtlich der im wirtschaftlichen Eigentum des oder der Treugeber-Erben verbliebenen Gegenstände umsatzsteuerneutral. Ergänzend ist bei Beendigung der Testamentsvollstreckung § 1 Abs. 1a UStG zu prüfen.
Rz. 37
Ebenso ist die Begründung und Beendigung einer Vollrechtstreuhand an dem Anteil eines persönlich haftenden Gesellschafters einer Personengesellschaft nicht umsatzsteuerbar, da der oder die Treugeber-Erben weiterhin wirtschaftliche Eigentümer an dem Gesellschaftsanteil bleiben und es insoweit bereits an einer sonstigen Leistung mangelt. Die Personengesellschaft als solche bleibt Unternehmer gemäß § 2 UStG. Der Vollrechtstreuhänder bzw. Testamentsvollstrecker wird jedoch mit (Sonder-)Entgelten, die er für Geschäftsführungsleistungen erhält, der Umsatzbesteuerung unterliegen.
II. Ertragsteuern (Einkommen- und Gewerbesteuer)
1. Ausgangsüberlegungen
Rz. 38
Nach dem Grundsatz der Individualbesteuerung sind Einkünfte der Person zuzurechnen, die sie "erzielt". Einkünfte sind demnach demjenigen zuzurechnen, der den konkreten Tatbestand der Einkünfteerzielung erfüllt. Bei gewerblichen Betrieben ist dies derjenige, der als (Mit-)Unternehmer mit eigener Initiative und eigenem Risiko wirtschaftet. Bei der Vollrechtstreuhand an einem einzelkaufmännischen Unternehmen oder an einem Anteil eines persönlich haftenden Gesellschafters ist denkbar, dass
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nur der Testamentsvollstrecker (Mit-)Unternehmer wird, |
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nur der oder die Erben (Mit-)Unternehmer werden, |
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beide zusammen – vergleichbar einer atypisch stillen Gesellschaft oder atypischen Unterbeteiligung – Mitunternehmer werden. |
Rz. 39
Während in der Literatur im Wesentlichen unter Rückgriff auf ein Urteil des BFH aus dem Jahre 1995 die Auffassung vertreten wird, dass für den Regelfall nur der oder die Erben (Mit-)Unternehmer werden, wird hier davon ausgegangen, dass der Testamentsvollstrecker mit dem oder den Erben vergleichbar einer atypisch stillen Gesellschaft oder atypischen Unterbeteiligung eine Innengesellschaft bildet. Damit würden sowohl der Testamentsvollstrecker in seiner Eigenschaft als Vollrechtstreuhänder als auch der oder die Treugeber-Erben gemeinsam gewerbliche Einkünfte erzielen. Dies gilt entsprechend für die übrigen Gewinneinkünfte gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und Nr. 3 EStG.
Vom Ergebnis her bleibt dies im Vergleich zur gängigen Auffassung jedoch ohne Konsequenzen, denn letztlich werden Gewinne, Verluste und Verlustausgleichsmöglichkeiten nur dem oder den Treuge...