Dr. Michael Nugel, Dipl.-Ing. André Schrickel
Rz. 11
Dem Beweisbeschluss kommt damit eine entscheidende Bedeutung zu, da er vorgibt, in welcher Richtung der Sachverständige tätig wird und welche Beweisfragen er auf Anordnung des Gerichts beantworten soll. Sollte in einem anhängigen Rechtsstreit daher ein Beweisbeschluss des Gerichts zur Einholung eines Sachverständigengutachtens erlassen werden, so sollte dieser nicht nur darauf geprüft werden, ob die eigene Partei die Vorschusspflicht zu tragen hat, sondern insbesondere auch sorgfältig geprüft werden, welchen Sachverhalt das Gericht in dem Beweisbeschluss vorgibt und ob aus Sicht der eigenen Partei alle relevanten Beweisfragen gestellt werden.
Rz. 12
Sollte eine aus der eigenen Sicht streitentscheidende Beweisfrage in dem Beweisbeschluss nämlich nicht gestellt worden sein, so wird der Sachverständige – sofern er sich an die Vorgaben des Beweisbeschlusses hält und keine Nachforschungen auf eigene Faust betreibt – hierzu in seiner Gutachtenerstellung auch keine Stellung nehmen. Eine sorgfältige Überprüfung des Beweisbeschlusses auf Richtigkeit und Vollständigkeit erspart daher eine Menge Aufwand, so z.B. wenn in Form eines Ergänzungsgutachtens eine weitere Begutachtung stattfinden muss, da im ursprünglichen Beweisbeschluss nicht alle relevanten Beweisfragen gestellt worden sind.
Rz. 13
Auch wenn der Beweisbeschluss nach § 355 Abs. 2 ZPO unanfechtbar ist, hat das Gericht jederzeit die Möglichkeit, diesen abzuändern oder gar komplett aufzuheben (vgl. § 360 ZPO), so dass seitens der Parteien zumindest die Möglichkeit besteht, das Gericht auf einen fehlerhaften oder unvollständigen Beweisbeschluss hinzuweisen. Sollte das Gericht sich trotz eines solchen Hinweises einer Partei auf die Unrichtigkeit des Beweisbeschlusses nicht dazu bewegen lassen, den Beweisbeschluss abzuändern, so lassen sich diese Mängel des Beweisbeschlusses nur mit dem Rechtsmittel gegen das Urteil geltend machen, d.h. insbesondere mittels der Berufung gegen das auf der Grundlage des Beweisbeschlusses ergangene Urteil.
Rz. 14
Praxistipp
Neben unvollständigen Beweisbeschlüssen, in welchen entweder dem Sachverständigen die Anknüpfungstatsachen nicht ausreichend vorgegeben oder entscheidungserhebliche Beweisfragen nicht gestellt werden, kommt es in der Praxis durchaus auch immer wieder vor, dass Beweisfragen gestellt werden, auf die es gar nicht (mehr) ankommt. Auch hierauf sollte der Beweisbeschluss überprüft werden, da jede Beweisfrage den Arbeitsaufwand des Sachverständigen und damit auch die Kosten erhöht.
Ggf. lassen sich manche Beweisfragen auch von dem Ergebnis der vorausgehenden Beweisfrage abhängig machen. Sollte der Sachverständige unter Beweisfrage 1 z.B. feststellen, dass die geltend gemachten Schäden gar nicht aus dem streitgegenständlichen Unfallereignis stammen können, so kommt es dann gar nicht mehr darauf an, welche Reparaturkosten diese Schäden ausmachen, da der klageweise geltend gemachte Anspruch bereits dem Grunde nach ausscheidet, ohne dass es auf die – bestrittene – Höhe des Anspruchs dann überhaupt noch entscheidend ankommt. Die Ermittlung der Höhe der Reparaturkosten kann daher davon abhängig gemacht werden, dass der Sachverständige überhaupt zu dem Ergebnis gelangt, dass die Schäden auf die streitgegenständliche Kollision zurückgeführt werden können.
So lassen sich auch im Falle eines negativen Ausgangs der Begutachtung für die eigene Partei jedenfalls die Kosten so gering wie möglich halten.