Florian Aigner, Dr. Gabor Mues
Rz. 173
Die Zulässigkeit und das ggf. einzuhaltende Verfahren bei Erwerb eines Unternehmens i.R.d. Insolvenzeröffnungsverfahrens sind stark umstritten.
De lege lata ist gem. § 159 InsO eine Verwertung der Insolvenzmasse und damit auch eine übertragende Sanierung erst im eröffneten Verfahren und dann auch erst nach dem sog. Berichtstermin und damit in jedem Fall erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zulässig.
Demgemäß wird von einer starken Meinung in der Lit. teilweise ein Unternehmenserwerb im Insolvenzeröffnungsverfahren grds. für unzulässig gehalten. Der BGH hat sich noch unter Geltung der KO für die grds. Unzulässigkeit der Veräußerung im Eröffnungsverfahren ausgesprochen, gleichzeitig aber offengelassen, ob eine Ausnahme zu rechtfertigen sein kann, wenn die Sicherung des Schuldnervermögens im Hinblick auf die als gewiss vorauszusehende Eröffnung des Konkursverfahrens dies zwingend gebietet, wozu allerdings nicht ausreichen kann, dass das Unternehmen verlustbringend ist.
Rz. 174
Dem haben sich einzelne Instanzgerichte (allerdings sämtlich noch zur KO) angeschlossen, wenn die Veräußerung eine wirtschaftlich vernünftige, im Interesse der Konkursgläubiger geradezu zwingend gebotene Maßnahme zur Sicherung des Schuldnervermögens darstellt.
Rz. 175
Teilweise wird die Zulässigkeit nach der Stellung des vorläufigen Insolvenzverwalters unterschiedlich beurteilt:
Gerade nach Insolvenzantragsstellung werden dem Insolvenzverwalter besonders attraktive Angebote zum Erwerb des Unternehmens unterbreitet, da durch Eröffnung des eigentlichen Verfahrens und Fortdauer der Insolvenz das Vertrauen der Mitarbeiter wie Geschäftspartner in das Unternehmen und dessen Fortführung sinken und somit mit sinkender Produktivität der Unternehmenswert und damit ein zu erzielender Kaufpreis sinken.
Mit Verweis auf § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO, wonach das Unternehmen des Schuldners bis zur Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens fortzuführen ist, ist nach herrschender Ansicht der sog. starke vorläufige Insolvenzverwalter zu Verwertungsmaßnahmen nach derzeit geltender Rechtslage nicht befugt.
Rz. 176
Ist ein sog. schwacher vorläufiger Verwalter bestellt, bleibt der Schuldner weiter verfügungsbefugt, der Verwalter hat hier grds. keine Rechtsmacht zum Vertragsschluss. Allerdings bedarf die Übertragung der einzelnen Wirtschaftsgüter im Fall einer Veräußerung der Zustimmung des Insolvenzverwalters (vgl. §§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 2. Alt., 24 Abs. 1, 81 Abs. 1 Satz 1 InsO) und ist ohne diese unwirksam. Soweit der vorläufige (schwache) Verwalter nicht zustimmt, ist die Kaufpreisrückforderung durch den Erwerber als Masseforderung geltend zu machen (vgl. § 81 Abs. 1 Satz 3 InsO), allerdings nur, soweit die Masse noch um den Kaufpreis bereichert ist (Anspruchsumfang nach §§ 818, 819 BGB).
Rz. 177
Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang allerdings noch auf zwei Entscheidungen:
Mit Urt. v. 18.7.2002 hat der BGH entschieden, dass der vorläufige Insolvenzverwalter (auch ohne allgemeines Verfügungsverbot, aber i.V.m. dem Erlass eines besonderen Verfügungsverbots) ermächtigt werden kann, einzelne, im Vorhinein spezifizierte Verpflichtungen zulasten der späteren Masse einzugehen. Dieser Rspr. folgend hat das AG Duisburg in seinem Beschl. v. 28.7.2002 im Wege eines besonderen Verfügungsverbots dem vorläufigen (schwachen) Insolvenzverwalter die alleinige rechtliche Verfügungsbefugnis über Teilbereiche des Schuldnervermögens übertragen, insb. die Veräußerung eines Konzerngeschäftsbereichs einschließlich Abschluss der entsprechenden Verträge.
Hinweis
In Anbetracht der bestehenden Unsicherheiten wird in der Praxis in diesen Fällen weiter mit Hilfslösungen operiert werden müssen bzw. ist von einem Erwerb im Insolvenzeröffnungsverfahren vom starken Verwalter aufgrund der rechtlichen Unsicherheiten und der fehlenden Klärung durch höchstrichterliche Rspr. abzuraten. Aber auch ein Erwerb mit Zustimmung des schwachen Verwalters scheidet in der Praxis wegen der sonstigen rechtlichen Risiken und Nachteile für den Erwerber regelmäßig aus.
Sollen Unternehmenskaufverträge dennoch bereits im Eröffnungsverfahren abgeschlossen werden, sollten diese unter die aufschiebende Bedingung der Verfahrenseröffnung und der Bestellung des vorläufigen Verwalters zum Insolvenzverwalter gestellt werden.